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Grenzgänger zwischen Wissenschaft und bildender Kunst

Ein Selbstinterview von Peter Tepe | Bereich: Interviews

Übersicht: In einem Selbstinterview stellt Peter Tepe dar, wie er zum Grenzgänger zwischen Philosophie/Literaturwissenschaft und bildender Kunst geworden ist und welche Wechselwirkungen zwischen seiner wissenschaftlichen  und  künstlerischen Tätigkeit bestehen. Dabei werden fünf Phasen der künstlerischen Entwicklung, die zum Programm der informellen Konstruktion geführt hat, unterschieden.

Vorwort des Herausgebers

In diesem Beitrag wird meine Entwicklung als Grenzgänger zwischen Wissenschaft und bildender Kunst in Form eines Selbstinterviews rekonstruiert: Ich formuliere einige Fragen, die auch in einem mit einer anderen Person geführten Gespräch hätten gestellt werden können, und beantworte sie. Dabei werden vor allem einige seit 2013 entstandene künstlerische Arbeiten vorgestellt, wobei ich aus mehreren Serien, deren Besonderheiten erläutert werden, repräsentative Beispiele auswähle.

Entwicklung eines Grenzgängers

Als Grenzgänger zwischen Wissenschaft und bildender Kunst werden in w/k Individuen bezeichnet, die sowohl wissenschaftlich als auch – im Spektrum der bildenden Kunst – künstlerisch arbeiten.
Zu dieser Gruppe gehöre auch ich.

Wir unterscheiden bezogen auf die Entwicklung eines solchen Grenzgängers drei Typen, um festzuhalten, ob bei ihm über einen längeren Zeitraum die wissenschaftliche oder die künstlerische Tätigkeit das größere Gewicht hat oder ob zwischen ihnen ein Gleichgewicht besteht: Der Wissenschaftler/Künstler ist überwiegend wissenschaftlich, der Künstler/Wissenschaftler überwiegend künstlerisch aktiv, während der 50/50-Typ in ungefähr gleichem Ausmaß wissenschaftlich und künstlerisch tätig ist. Wie ordnen Sie sich ein?
Als Wissenschaftler/Künstler. Das bin ich aber erst in einem längeren Entwicklungsprozess geworden.

Können Sie die Entwicklungsstadien, die dazu geführt haben, genauer beschreiben?
Nach dem in Osnabrück abgelegten Abitur studierte ich vom Wintersemester 1968/69 an bei Karl Otto Götz Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf und wechselte nach vier Semestern zur Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (die damals noch nicht so hieß). Eingeschrieben war ich in den Fächern Philosophie und Germanistik. Sowohl die Promotion als auch die Habilitation erfolgten im Fach Philosophie, die berufliche Tätigkeit fand jedoch vom Ende der 1970er Jahre bis zum Ende meiner Dienstzeit am 31.12.2013 in der Neueren Deutschen Philologie statt (vgl. Kurzbiografie des Herausgebers).

Ein Individuum, das sowohl philosophisch als auch literaturwissenschaftlich forscht, kann ebenfalls als Grenzgänger bezeichnet werden. Ehe Sie zum Grenzgänger zwischen Wissenschaft und bildender Kunst geworden sind, waren Sie demnach bereits ein Grenzgänger zwischen Philosophie und Literaturwissenschaft.
Das stimmt. Diese ungewöhnliche, mit der kontinuierlichen Lehr- und Prüfungstätigkeit in zwei akademischen Disziplinen verbundene Konstellation wollte ich für Lehre und Forschung produktiv machen – die philosophischen und die literaturwissenschaftlichen Interessen sollten zu einem fruchtbaren Zusammenwirken gebracht werden. Das führte 1987 zur Gründung des interdisziplinären Studien- und Forschungsschwerpunkts Mythos/Ideologie, der im Jahr 2000, um dem zunehmenden Gewicht des Bereichs Literaturtheorien/Methoden der Textarbeit Rechnung zu tragen, erweitert worden ist zu Mythos, Ideologie und Methoden.[2] Im größten Teil meines Berufslebens an der Düsseldorfer Universität, das mehr als 35 Jahre umfasste, war ich als Literaturwissenschaftler und als Philosoph tätig, phasenweise zusätzlich noch als Medienwissenschaftler.
Der im Promotionsstudium weiterhin existierende Studienschwerpunkt stellt eine auf dem Prinzip der Multidisziplinarität beruhende Einrichtung dar. Auch die 30 fächerübergreifenden Lehrveranstaltungen mit Dozenten aus Fächern wie Philosophie, Geschichte, Kunstgeschichte, Erziehungswissenschaft zeigen eine grenzüberschreitende Tendenz.[3]

Phasen der künstlerischen Arbeit

Das Streben nach der Überschreitung von Disziplinengrenzen kann somit generell als Grundzug Ihrer Persönlichkeit begriffen werden. Nun zur anderen Seite: Welche Phasen Ihrer künstlerischen Arbeit lassen sich unterscheiden?
Ich komme auf fünf:

  • Phase 1 (1965–1968): Meine Aktivitäten in der Oberstufenzeit. Diese wurden durch den Kunstlehrer Veit Lindenmeyer entscheidend gefördert.
  • Phase 2 (1968-1970): Das Studium in der Götz-Klasse an der Kunstakademie.
Peter Tepe: Vorher – Nachher (1969). Foto: Tanja Semlow.
  • Phase 3 (1970–1975): Die künstlerische Tätigkeit während des universitären Studiums sowie neben und kurz nach der Promotion.
  • Phase 4 (1989–1995): Künstlerische Aktivitäten in der Aufbauphase des Schwerpunkts Mythos, Ideologie und Methoden.
  • Phase 5 (von 2013 an): Wiederaufnahme der künstlerischen Arbeit im letzten Jahr meiner Dienstzeit und dann verstärkt nach deren Ende.

In welchen Phasen sind Sie als Wissenschaftler/Künstler einzuordnen?
In den Phasen 4 und 5: Hier war bzw. bin ich überwiegend wissenschaftlich aktiv – einschließlich der Tätigkeit als Herausgeber mehrerer wissenschaftlicher Periodika[4] –, aber in zeitlich geringerem Umfang auch künstlerisch tätig. Für die Zeiten von 1976 bis 1988 und von 1996 bis 2012 gilt das jedoch nicht: Hier war ich nur Wissenschaftler (der allerdings zusätzlich künstlerisch interessiert war und sich einen Freiraum für künstlerische Aktivitäten wünschte).

Beschreiben Sie die Entwicklungsstadien Ihrer individuellen Konstellation bitte etwas genauer.
In Phase 1 war ich nicht nur künstlerisch aktiv, sondern interessierte mich auch stark für Fragen der Kunsttheorie und Ästhetik, welche direkt oder indirekt für meine bildnerische Tätigkeit nutzbar gemacht werden konnten. Darüber hinaus befasste ich mich im Selbststudium mit einigen Philosophen, vor allem mit Nietzsche; Philosophie war am von mir besuchten Gymnasium kein Schulfach.
In Phase 2 nahm ich dann an der Kunstakademie an mehreren Lehrveranstaltungen des Philosophen Walter Warnach sowie an kunsthistorischen Vorlesungen teil. Daher kann man sagen, dass dieses Studium neben den im Vordergrund stehenden künstlerischen auch wissenschaftliche Anteile umfasste (Philosophie im Allgemeinen, Kunstphilosophie und Ästhetik im Besonderen, Kunstgeschichte).
1969/70 kam es jedoch zu einer Verselbstständigung des Erkenntnisstrebens, das sich in zunehmendem Maß Fragestellungen zuwandte, die der Kunstphilosophie und Ästhetik in systematischer Hinsicht vorgelagert sind und sich nicht direkt mit meiner künstlerischen Praxis verbinden ließen. Besonders faszinierten mich die Denkentwicklung von Kant über Fichte und Schelling zu Hegel sowie die Philosophie der Gegenwart, z.B. die Kontroversen zwischen der Frankfurter Schule und dem kritischen Rationalismus.

Wechsel zur Universität

Die Lektüre philosophischer Texte nahm allmählich immer mehr Raum ein, und die Beschäftigung mit philosophischen Fragen gewann so ein Übergewicht gegenüber der künstlerischen Praxis. Das führte dazu, dass ich als Gasthörer Vorlesungen und Seminare der im Aufbau befindlichen Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf besuchte. Schließlich wurde die Faszination so stark, dass ich ganz zur Universität überwechselte.

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Zitierweise

Peter Tepe (2016): Grenzgänger zwischen Wissenschaft und bildender Kunst. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d542

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