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Markus Schrenk: True Copy

Text: Sonja Frenzel & DeepL | Bereich: Beiträge über Künstler

Übersicht: Den hitzigen Debatten um das Urheberrecht fügt ein Kunstwerk wie Markus Schrenks True Copy eine Provokation hinzu: Wir sehen uns mit einem ästhetischen Spiel konfrontiert, das rechtliche und ethische ebenso wie ontologische und epistemologische Fragen über Wahrheit und Originalität aufwirft. Was ist eine Kopie? Wann ist eine Kopie eine wahrheitsgetreue Kopie? Und in welchem Verhältnis stehen Original und Kopie zueinander? Der Beitrag widmet sich diesen Fragen vor einem philosophischen und kulturwissenschaftlichen Hintergrund. Wie True Copy selbst möchte der Text weniger Antworten vorgeben als vielmehr Denkanstöße offerieren.

Vorwort

Die Debatten um Copyright, Originalität und Kopie, die Markus Schrenks True Copy im Frühjahr 2016 anstieß, haben bis dato nichts an Aktualität verloren. Die philosophischen und ethischen Prämissen des Kunstwerks sind in einem englischsprachigen Kommentar für w/k (erschienen am 29. Oktober 2016) nachzulesen, die im Nachgang der Premiere von True Copy auf der Tagung Balancing Intellectual Property Claims and the Freedom of Art and Communication (30. März – 1. April 2016) der Arbeitsgruppe The Ethics of Copying am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) in Bielefeld entstand. Seitdem wurde True Copy zwei weitere Male kuratiert: im Rahmen der Ausstellung Zwischen Wissenschaft und Kunst: Düsseldorfer Akzente (23. November – 4. Dezember 2016) in der Kunstakademie.gallery sowie im Rahmen der Ausstellung Kunst und Wissenschaft: Beispiele symbiotischer Verhältnisse (16. November 2017 – 31. Januar 2018) im Haus der Universität, Düsseldorf.

Angesichts der Kreise, die das Kunstwerks True Copy zieht, liegt es nahe, auch seine theoretischen Hintergründe mitsamt ihren philosophisch-ethischen Prämissen zu erweitern. Eine Übersetzung des englischen Kommentars ins Deutsche liefert dazu einige Denkanstöße. Die Fragen nach Originalität und Kopie, die True Copy als visuelles Kunstwerk aufwirft, schwingen auch in sprachlichen Übersetzungsprozessen mit. Wie kann ein Text wahrheitsgetreu – oder vielleicht besser: originalgetreu – wiedergegeben werden? Wie können die sprachlichen und kontextuellen Besonderheiten eines Originals in eine andere Sprache übertragen werden? Inwiefern kann diese Originalität den Leser*innen nicht nur in einer anderen Sprache, sondern auch in anderen historischen und kulturellen Kontexten zugänglich gemacht werden? Zeitgenössische Theorien literarischer Übersetzung sprechen längst nicht mehr von Originaltexten, sondern von Ausgangstexten, die im Sinne einer Wirkungsäquivalenz, also einer eher sinngemäßen und funktionalen Re-Narration, d.h. einer an den Rezeptionserfahrungen des Ausgangstexts in seiner jeweiligen Ausgangskultur und für sein jeweiliges Ausgangspublikum orientierten Wieder-Erzählung, statt einer strikt wortgetreuen Kopie geprägt ist. In den meisten Fällen gebietet der Buchmarkt, übersetzte Texte derart an die Leseerwartungen des Zielpublikums anzupassen, dass die zugrundeliegenden Übersetzungsprozesse gleichsam unsichtbar werden: Die stilistischen und idiomatischen Besonderheiten des Ausgangstextes gehen dann ganz in der Zielsprache auf. Nur selten finden sich Beispiele einer bewussten Verfremdung, die in ihren merkwürdigen Idiosynkrasien darauf hinweisen – und die Leserschaft also nicht vergessen lassen –, dass das Gelesene ursprünglich in einer anderen Sprache erzählt wurde, deren Eigenheiten nun in der Zielsprache mehr oder weniger deutlich auffallen und sogar stören mögen.

Natürlich verläuft die Unterscheidung zwischen einer „schlechten“ und einer bewusst verfremdenden Übersetzung auf einem schmalen Grad. So schien es in Übersetzungen natürlicher Sprache, insbesondere in literarischen Übersetzungen, bislang kurios, die Hilfe so genannter CAT Tools, d.h. computer aided translation programmes, in Anspruch zu nehmen. In technischen und juristischen Übersetzungen sowie zunehmend auch im Marketing dienen diese lernfähigen Programme dazu, preiswerte Übersetzungen auf hohem Qualitätsniveau in immer kürzeren Lieferzeiträumen zu ermöglichen. Jedoch scheint mit dem Online-Übersetzungsprogramm DeepL (www.deepl.com) der gleichnamigen Kölner Firma seit 2017 eine echte Konkurrenz der Künstlichen Intelligenz für menschliche Übersetzer*innen zu kursieren. DeepL basiert auf einem Algorithmus, der sich an mehrschichtigen neuronalen Netzwerken orientiert und damit sprachliche Zusammenhänge und Kontextualisierungen angemessener erfassen kann. So zeichnen sich die Übersetzungen von DeepL nachweislich durch ihre Nähe zu natürlicher und sogar zu literarischer Sprache aus, was sich insbesondere durch die Treffsicherheit in Stil und Idiomatik zeigt. Anders als bisherige maschinelle Übersetzungsprogramme wie google translate scheint DeepL keine wortgetreue Kopie eines Originaltextes zu liefern, sondern zu einer Re-Narration fähig zu sein. Die Übersetzung des englischen Kommentars zu True Copy ins Deutsche eignet sich in besonderem Maße als Testfall für diese Hypothese, da sie den zugrundeliegenden Prämissen des Kunstwerks eine oder gleich mehrere neue Dimensionen hinzuzufügen vermag. Abgesehen von wenigen stilistischen Komplikationen – beispielsweise im Hinblick auf die Mehrdeutigkeiten des englischen Begriffs „true copy“, der sowohl den juristischen Sachverhalt einer wahrheitsgetreuen Kopie wie auch die philosophisch-ethische Frage nach der „Echtheit“ einer Kopie aufruft – konnte DeepL lediglich an zwei Stellen mit komplexen Satzkonstruktionen des englischen Textes keine adäquate Übersetzung ins Deutsche liefern. In diesen Fällen wurden Minimalanpassungen vorgenommen, um die Verständlichkeit des deutschen Textes zu wahren, während keine weiteren – insbesondere keine stilistischen – Überarbeitungen vorgenommen wurden.

Wird die von DeepL erstellte Übersetzung eine solide und funktionale Re-Narration des englischen Originals, oder bleibt sie aufgrund ihrer ästhetisch-stilistischen Mängel eine Kopie? Wird dieser Kommentar zu einem neuen Original, in deutscher Sprache, und führen die Überarbeitungen der Verfasserin bereits zu einer erneuten Kopie oder Re-Narration dieses Originals? Sollte möglicherweise auch eine Künstliche Intelligenz wie DeepL ein Copyright auf ihre Arbeit erhalten? Das endgültige Urteil über diese Fragen sei der Leserschaft überlassen. Im Folgenden können nicht nur die minimal notwendigen Änderungen, die an DeepLs Übersetzung vorgenommen wurden, in roten Streichungen und Ergänzungen nachvollzogen werden, es mag daraus ein Eindruck über Originalität und Kopie bzw. Kopierbarkeit entstehen, der einlädt, die philosophisch-ethischen Überlegungen des Kunstwerks True Copy erneut zu reflektieren.

True Copy – Was passiert, wenn ein Kommentar kopiert wird

*** Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version) ***

In einer Zeit, in der Urheberrechtsfragen immer härter diskutiert werden, kann birgt ein Kunstwerk mit dem Titel True Copy mehr als eine leichtfertige Provokation erscheinen. Vor allem sein ästhetisches Spiel mit den rechtlichen und ethischen sowie den ontologischen und epistemologischen Dimensionen des Kopierens fordert uns auf, einige der wichtigsten Fragen rund um Wahrheit und Originalität neu zu überdenken: Was ist eine Kopie? Wann ist diese Kopie eine echte bzw. wahrheitsgetreue Kopie? Wie verhalten sich (echte) Kopien zu ihren Originalen?

10.000 Postkarten mit der Aufschrift „Dies ist eine Kopie des Originalsthis is a copy of the original“ können nicht gelogen werdenlügen. Paradoxerweise reproduzieren sie jedoch ein Original, das seinerseits lügen muss. Es istDenn auch dieses Original, das konstatiert von vornherein bestätigt wird: „Das ist eine Kopie des Originalsthis is a copy of the original“. Eine ähnliches SituationParadoxon ist ausin der philosophischen Logik bekannt: Der Lügner bezeichnet ist einen Satz, der über sich selbst sagt, dass er sei falsch ist. Es dreht sich entscheidend umDaraus entsteht das unlösbare ProblemParadoxon, dass dieser Satz die Wahrheit zu sagent, wenn ersie lügt, und umgekehrt.

Markus Schrenk: True Copy (2016). Foto: Karsten Enderlein.

Zur Veranschaulichung sei angenommen, dieser Satz laute: „Dieser Satz ist falsch“, wobei sich „Dieser“ auf genau diesen Satz bezieht. Unter der Annahme, dass ein Satz entweder wahr oder falsch ist, jedochund niemals beides und niemals auch keines von beidennicht, befinden wir uns in einer entsteht eine paradoxe Situation. Nehmen wir zunächst an, dass der obige Satz wahr ist. Dann sagt sieer wirklichwahrheitsgemäß über sich selbst, dass sieer falsch ist. Also ist ers auch falsch. Das ist unmöglich. Daher, zweitens, nNehmen wir stattdessen an, dass der Satz falsch ist. Dann sagt sie er fälschlicherweise über sich selbst, dass sier falsch ist. In diesem FallSo ist ers auch wahr. Auch das ist unmöglich.

Wenn wir diese Argumentationslinie auf True Copy anwenden, stoßen wir auf vergleichbare paradoxe Beziehungen zwischen einem Original, das nur lügen kann, und seinen (wahrenechten) Kopien. Wenn es sich jedoch tatsächlich um echte Kopien handelt, kann das Original nicht von ihnen unterschieden werden. Letztendlich sind also alle Versuche, ein vermeintliches Original zurückzuverfolgenzu ermitteln, insoweit sinnlos, als alle Versionen formal identisch – also wahr echt – sind.

Markus Schrenk: True Copy (2016). Foto: Karsten Enderlein.

Diese Beobachtungen gewinnen zusätzliche Komplexität, wenn man den gesamten Umfang des Artworks Kunstwerks True Copy betrachtet:

Das Original ist, wie der Künstler und Philosoph Markus Schrenk behauptet, nicht unter den Postkarten zu finden., sondern Es ist vielmehr ein an einer Wand aufgehängter Forex-Kunstdruck im A0-Format. Im Einklang mit der obigen Begründung lügt dieses Originalsie unverblümt, während ihreseine Kopien ihre angebliche Wahrheit im Postkartenformat artikulieren und verbreiten. Und doch mag es scheinen, als würden wir dazu verleitetgebracht werden, an eine Originalität zu glauben, die bestenfalls vergänglich illusorisch ist, wenn nicht sogar eine völlige Lüge an sich.

Zunächst einmal könnten wir überlegen, ob der Formatunterschied die Beziehung zwischen dem Original und seinen MehrfachkKopien verändert. Muss eine echte Kopie unbedingt eine identische Kopie sein? Wie weit darf sie von ihrer ursprünglichen Quelle abweichen?

In diesem SinneHier istwäre anzumerken, dass jede der 10.000 Postkarten auf der Rückseite den Titel True Copy trägt, während wir nicht wissen können, ob das vermeintliche Original, dessen Rückseite zur Wand zeigt, auch so bezeichnet ist. Die Postkarten scheinen also eine selbsterklärende Geste zu bieten, die ironischerweise die Wahrheit der wahren „echten“ Kopien untergräbt: Bleiben sie echte Kopien des Originals, wenn sie zusätzliche Informationen enthalten?

Schließlich Weiterhin lädt True Copy uns ein, die vielfältigen und multiplizierenden Beziehungen zwischen Original und (echter) Kopie zu überdenken. DaWenn ein vermutetes Original in verschiedene Adaptionen übersetzt wird, erscheinenmögen sowohl der (vermeintlich) einzigartige A0-Druck als auch die 10.000 A7-Drucke als Kopien aufgefasst werden. Vielleicht ist das eigentliche Original also ganz einfach eine Idee – vielleicht sogar eine Idee im platonischen Sinne –, die sich in verschiedenen ästhetischen Formen artikuliert: in der besonderen Anordnung der schwarzen Buchstaben auf einer weißen Fläche; in der besonderen semiotischen Bedeutung, die durch diese Buchstaben in ihrer jeweiligen Reihenfolge vermittelt wird; in den besonderen visuellen und haptischen Materialitäten der großen Kopie und des die der vielzähligen Kopien im Postkartenformat;, in dieden besonderen Möglichkeiten der Verbreitung der Kopien einschließlich ihrer ständigen Veränderungen in und durch zeitgenössische digitale Medien und schließlich in den vielen speziellereneinzigartigen ZweckenWeisen, fürauf die diese Kopien verwendet werden können.

Markus Schrenk: True Copy (2016). Foto: Karsten Enderlein.

Mit Ausgehend von dieser seiner platonischen Idee, die in wandelbaren und sich ständig wandelnden ständig in multiplen Materialitäten und (ihren) multiplen vielfältigen Bedeutungen (wiederre-)auftaucht, kann tritt True Copy gesehen werden, dass sie in faszinierende Beziehungen mit ihrer seiner Umgebung tritt. Schließlich, wWie können wir sicher sein, dass sich der deiktiöse deiktische Bezug von „dies“ auf die wird der bisher implizite den bislang angenommenen selbstreferenziellen Umfang beibehaltenbeschränkt?

Vielmehr istwäre es denkbar, dass sein Bezugspunkt nicht derdie gesamte Druck oder die einzelne Postkarte ist, sondern beispielsweise der Leerraum die weiße Fläche auf der rechten Seite. Ist dies der Fall, und ist also eine Leerzeichenweißes Feld „Fläche eine Kopie des Originals, werden die umstrittenen Beziehungen zwischen Original und Kopie, zwischen wahr und falsch, wieder einmal faszinierenderneut untergraben. Ist das Original selbst eine Leerraumstelle, der die frei kopiert werden kann und die in diesen Übersetzungsprozessen mit Bedeutung gefüllt werden kann? Oder kommen wir sonstentstehen im Versuch, ein Original zu kopieren, zu leere – bedeutungslose?FelderLeerzeichen, wenn wir versuchen, ein Original zu kopieren?

Es kann fFerner mag denkbar sein, dass seinder deiktische Bezugspunkt außerhalb des Drucks oder der jeweiligen Postkarte liegt, aber er könnte sich danndass er sich willkürlich auf jedes Objekt beziehen ließeverlagern, mit dem der Druck oder die Postkarte in Verbindung gebracht werden kann. Mit anderen Worten: Wird die Wand durch das Aufhängen des A0-Drucks an eine Wand zur Kopie einer Originalwand, sogar zu der platonischen Idee einer Wand? WennWird die Postkarte neben eine Zeichnung gelegt wird, verschiebt sich der deiktische Bezug von „diesem“ dann auf dieses jenes Kunstwerk? Was wäre, wenn True Copy als Post-it-Aufkleber existierte, die an fast jedem Objekt angebracht werden könnten?

Markus Schrenk: True Copy (2016). Foto: Karsten Enderlein.

Betrachtet man die ästhetische und semiotische Kraft dieser deiktischen Möglichkeiten, so könnte man sich fragen, ob es möglich ist, diesem Kunstwerk, True Copy, selbst ein Copyright zuzuordnen. Mit anderen Worten, wir könnten anfangen, uns über diewelche paradoxen Wahrheitsansprüche manifestieren sich inaller kreativen Rechten an einer Kopie einer Kopie einer Originalidee? zu fragen. Und doch, natürlich, Auch in diesen Rahmen erscheint True Copy: Konzipiert von Markus Schrenk und realisiert in Zusammenarbeit mit Amrei Bahr und Reinold Schmücker, wurde True Copy vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) ausgerichtet in Bielefeld anlässlich eines Workshops der Forschungsgruppe Die Ethik des Kopierens (30. März – 01. April 2016). Unter dem Titel Balancing Intellectual Property Claims and the Freedom of Art and Communication versammelten sich Philosoph*innen, Jurist*innen und Künstler*innen, um über die Aufgabe und die SchwierigkeitPflicht und die Herausforderungen zu diskutieren, das richtige Gleichgewicht – oder zumindest ein akzeptables Gleichgewicht – zwischen den Ansprüchen der Künstler*innen auf ihr geistiges Eigentum und einem öffentlichen Interesse an der Freiheit der Kunst zu finden. Es hat sich gezeigt, dass True Copy mit diesen Mehrdeutigkeiten in mehreren und immer wiederkehrenden Übersetzungen in Resonanz steht.

Die Autorin: Sonja Frenzel.

Der Künstler: Markus Schrenk.

Beitragsbild über dem Text: Markus Schrenk: True Copy (2016). Foto: Karsten Enderlein.

Zitierweise

Sonja Frenzel (2019): Markus Schrenk: True Copy. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d11835

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