w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst
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Julius Höhn: Fragen an Peter Tepe

Julius Höhn im Gespräch mit Peter Tepe | Bereich: Interviews

Übersicht: Julius Höhn steht vor seinem Abitur und beschäftigt sich im Rahmen seiner Präsentationsprüfung mit dem Zusammenhang zwischen Kunst und Wissenschaft. Er hat Peter Tepe gebeten, sechs Fragen zu beantworten, die sich vor allem auf die Rolle der Kunst in der Entstehung der Wissenschaft beziehen.

Vorab: In den beiden von mir herausgegebenen Online-Zeitschriften w/k und Mythos-Magazin (www.mythos-magazin.de) sind mehrere Texte veröffentlicht, in denen ich meine Auffassungen zum Großthema Kunst und Wissenschaft darlege; darauf stützen sich meine Antworten auf Julius Höhns Fragen.[1]

Denken Sie, die moderne Wissenschaft hätte ohne die Kunst so entstehen können, wie wir sie heute kennen?
Versteht man unter moderner Wissenschaft die in der Neuzeit aufkommenden Erfahrungswissenschaften, so besteht nach meiner Überzeugung keine direkte Abhängigkeit von der Kunst. Es gibt aber Individuen, die sowohl wissenschaftlich als auch künstlerisch tätig sind; in w/k werden sie als Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Kunst bezeichnet. Ein solcher Grenzgänger kann aufgrund seiner spezifischen Kompetenzen auf die Entstehung und Weiterentwicklung einer bestimmten Wissenschaft einwirken.

Sind wir an einem Punkt angekommen, an welchem die Entwicklung der Wissenschaft auf eigenen Füßen stehen kann? Könnte sich die Wissenschaft heutzutage auch ohne Kunst weiterentwickeln?
Die Erfahrungswissenschaften sind Disziplinen, die nach ihrer Begründung in dem Sinn „auf eigenen Füßen stehen“, dass sie sich auf der Grundlage der allgemeinen Prinzipien empirisch-rationalen Denkens und der spezifischen Prinzipien des jeweiligen Faches, die mit der Zeit modifiziert werden, eigenständig entwickeln. Es verhält sich nicht so, dass eine solche Eigenständigkeit erst in der Gegenwart möglich wird: Die Weiterentwicklung der Erfahrungswissenschaften erfolgt nicht erst „heutzutage“ unabhängig von der Kunst.

Personen wie Leonardo Da Vinci oder Michelangelo sind für viele Wissenschaftler Vorbilder. Wie kamen wir von Kunst zu Wissenschaft? Korrelieren Kunst und Wissenschaft miteinander? Taten sie es jemals? Tun sie es heute noch?
Leonardo, auf den ich mich beschränke, kann als Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Kunst eingeordnet werden; seine vielfältigen Aktivitäten haben auch Erfahrungswissenschaftler und Techniker inspiriert. Die Annahme, es habe irgendwann ein Übergang von der Kunst zur Erfahrungswissenschaft stattgefunden, halte ich allerdings für verfehlt. Die Begründung der ersten erfahrungswissenschaftlichen Disziplinen erfolgte durch Fachleute in Abgrenzung von früheren Formen der Naturforschung, nicht zuletzt von der durch Aristoteles geprägten Naturphilosophie.
Die Frage „Korrelieren Kunst und Wissenschaft miteinander?“ reformuliere ich daher als Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Wissenschaft, das zweifellos historischen Veränderungen unterliegt. In den Texten zur Kunst-und-Wissenschaft-Theorie sind meine Auffassungen dargelegt.

Die Stimme der Kollektive wird immer lauter. Übernehmen die Kollektive heutzutage die Rolle des Wissenschaft vorantreibenden Künstler-Genies?
Die Rede von „Wissenschaft vorantreibenden Künstler-Genies“ halte ich – wie bereits aus meinen bisherigen Antworten hervorgeht – für problematisch. Die Erfahrungswissenschaften werden nicht durch „Künstler-Genies“, sondern durch Individuen vorangebracht, die über kognitive Fähigkeiten verfügen, welche die Erfindung neuer Theorien ermöglichen. Das können in einigen Fällen auch Grenzgänger sein. Es sind immer Individuen und Gruppen von Individuen, welche die Erfahrungswissenschaften vorantreiben, nie Kollektive.

Haben sich die Aussagekraft und die Kernthemen der Kunst über die Jahrhunderte verändert oder kritisiert die Kunst immer noch mit den gleichen Absichten wie in der Renaissance?
Sowohl die Kernthemen der Kunst als auch die allgemeinen und besonderen künstlerischen Ziele haben sich seit der Renaissance stark verändert. Das schließt jedoch nicht aus, dass einzelne Künstlerinnen und Künstler weiterhin Absichten verfolgen, die mit denen der Renaissance zumindest verwandt sind.

Hat Kunst die Aufgabe, aufzuklären?
Die Kunst als solche hat keine bestimmte Aufgabe, die einfach erkannt werden könnte. Es verhält sich vielmehr so, dass die Künstlerinnen und Künstler sowie andere Individuen wie etwa Machthaber und religiöse Führer der Kunst bestimmte Aufgaben geben bzw. zuschreiben. Das wird insbesondere dann deutlich, wenn man frühere Zeiten und andere Kulturen als die unsrige in die Betrachtung einbezieht. Eine von mehreren Aufgaben, welche der Kunst gegeben werden können, besteht darin, zur Aufklärung dieser oder jener Art, die dann näher zu bestimmen wäre, beizutragen.

[1] Vgl. die Auflistung in P. Tepe: 5 Jahre w/k. Was bisher geschah. Teil II, Kapitel 8: Bausteine einer Kunst-und-Wissenschaft-Theorie. Online unter: https://wissenschaft-kunst.de/5-jahre-w-k-was-bisher-geschah-teil-ii/

Beitragsbild über dem Text: Videostill vom Interview mit Peter Tepe: Grenzgänger zwischen Wissenschaft und bildender Kunst (2016).

Zitierweise

Julius Höhn und Peter Tepe (2023): Julius Höhn: Fragen an Peter Tepe. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d17768

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