Wen Bi im Gespräch mit Yunju Lee | Bereich: Interviews
Übersicht: Das Interview mit Wen Bi entstand in der Zero foundation im Rahmen des Projekts „each grows stronger when nourished by the other“ (György Kepes). Es ist Teil einer Reihe, in der die am Projekt beteiligten Künstler*innen über ihre Kunst, ihre Bezüge zur Wissenschaft sowie ihre Verbindung zu den ZERO-Künstlern berichten. Der Titel des Projekts lautet Sehen, Hören und Fühlen – Phänomene in Natur, Wissenschaft und Kunst; es ist eine Kooperation der ZERO foundation, Düsseldorf, mit dem MIT Museum Studio und der Compton Gallery des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, MA, USA sowie der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Gefördert wird es vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der E.ON Stiftung gGmbH. Alle ZERO-Interviews sind Zweitveröffentlichungen und wurden zuvor auf der Website der ZERO foundation publiziert.
Yunju Lee, Du bist in Südkorea geboren, was hat Dich dazu bewegt, in Deutschland und insbesondere an der Kunstakademie Düsseldorf zu studieren?
Die Gründe, warum ich nach Deutschland gekommen bin, sind der Lehrplan und das freie Umfeld, das die Kunsthochschulen in Deutschland bieten. Hier schreibt niemand vor, auf eine bestimmte Art und Weise Kunst zu machen, es wird kein Abgabetermin vorgegeben. Man muss einen unabhängigen und selbstständigen Arbeitsstil finden. Das Attraktivste an der Kunstakademie Düsseldorf ist, dass die Professor*innen gegenwärtig arbeitende Künstler*innen sind, die in der weltweiten Kunstszene sehr aktiv sind. Der Austausch in der Klasse, mit den Professor*innen und den anderen Kursteilnehmer*innen sind für mich sehr wichtig, um mich selbst zu verbessern und meinen Horizont zu erweitern.
Du nutzt Collagen und traditionelle Malerei als Medien, um Deine künstlerischen Ideen auszudrücken. Warum hast Du diese Medien ausgewählt?
Über diese Frage habe ich lange nachgedacht. Ich glaube, ich liebe die Spontaneität. Wenn man darüber nachdenkt, ist es besonders beim Malen eine ständige mechanische Bewegung der Entscheidungsfindung vom Gehirn zur Hand. Für mich passieren in intuitiven Prozessen so viele unerwartete Dinge. Auf der anderen Seite vermittelt die Collage ein konkreteres und konstruktiveres Gefühl, das Gefühl, dass ich mehr Kontrolle über den Prozess habe. Die Art und Weise, wie ich collagiere, ist mit dem Zusammenfügen von Puzzleteilen vergleichbar. Der Prozess besteht darin, die Oberfläche in einzelne Teile zu zerlegen und sie zu einem komplexen Ergebnis zusammenzusetzen. Außerdem kann ich so die Zerbrechlichkeit von Dingen wie Glas ausdrücken, da das Material selbst eine zerbrechliche Qualität hat.
Was sind Deine Lieblingskunstwerke von ZERO-Künstlern? Wie beeinflussen die Kunstwerke oder Konzepte der ZERO-Künstler Deine Arbeit?
Ich schaue mir gerne Werke von Heinz Mack an, wie z. B. das Sahara-Projekt, das Ende der 1960er Jahre entstand, und Urwald aus dem Jahr 1966. Ich denke, die von der Natur inspirierten organischen Formen und die leichte Vibration der Oberfläche sind die wichtigsten Themen für mich. Macks Werke haben wirklich die Fähigkeit, Menschen einzubeziehen. Neulich war ich im Museum Abteilberg in Mönchengladbach und habe eine kinetische Arbeit von Mack, mit dem Titel Silber –Dynamo, gesehen. Ich stand eine Weile davor, um die Lichtstreuung auf der Metalloberfläche zu beobachten. Das war eine sehr spannende Erfahrung. Ein anderes Kunstwerk, das ich interessant finde, ist die Collage des finnischen Künstlers Per-Olof Ultvedt, die ich in der Ausstellung … das Glück, wenn man ja sagt, ZERO der ZERO foundation gesehen habe, und die mir sehr gut gefallen hat. Das Rätselhafte daran, ihre Komplexität und Verspieltheit lassen mich über die Arbeit nachdenken und immer mehr Interesse daran entwickeln. Das ist auch die Richtung, in die ich mit meinen Arbeiten gehen möchte. Es gibt eine positive Energie bei den ZERO-Künstlern, die aus echtem Interesse an Materialien und der Offenheit für Experimente kommt.
Heinz Mack erwähnte einmal, dass er zufällig ein glänzendes Stück Aluminiumfolie auf einer Sisalmatte gefunden hat, wobei ihn das vibrierende Licht, das sich auf der Oberfläche des Aluminiums spiegelte, und die Struktur des Metalls faszinierten. Es ist interessant zu sehen, dass Du versuchst, die Details der Spiegelungen von Glas- und Wasseroberflächen einzufangen.
Die meisten Themen meiner Arbeiten leiten sich von den Dingen ab, die ich in meinem täglichen Leben sehe. Im Kunstunterricht war es einmal meine Aufgabe, einen Apfel zu zeichnen, der vor mir lag. Als ich meine Zeichnung abgab, fragte der Lehrer, ob ich ihn tatsächlich beobachtet habe. Ich dachte, ich hätte es getan, aber als ich wirklich tat, was der Lehrer von mir verlangte, bemerkte ich, dass meine Zeichnung auf dem Bild des Apfels basierte, das ich in meinem Kopf hatte. Das Faszinierende an Glas- und Wasseroberflächen ist, dass ich so viel aus ihnen herauslesen kann.
Du interessierst Dich dafür, wie Algorithmen und Deep-Learning-Methoden genutzt werden können, um Künstler*innen zu helfen. Hast Du darauf eine Antwort gefunden? Versuchst Du, neue Technologien oder künstliche Intelligenz in Deine Gemälde zu integrieren?
Künstliche Intelligenz (KI) hat unser Leben in vielerlei Hinsicht bequemer gemacht, und ich sehe die Veränderungen als sehr hilfreich und positiv an. Ich wünsche mir, dass der Einsatz von KI für die Künstler*innen und nicht gegen sie geschieht. Was die Malerei betrifft, so sagen einige, dass die Malerei traditionell bleiben wird, aber dem stimme ich nicht zu. Die Entwicklung der Wissenschaft hat immer auch die Malerei beeinflusst und ihr neue Einsichten gebracht. Ich finde zum Beispiel von KI erzeugte Bilder interessant, in gewisser Weise auch bizarr. Solche Bilder öffnen den Blick auf Malerei neu und inspirieren. KI in meine Malerei zu integrieren, wäre definitiv eine Herausforderung, könnte aber auch ein sinnvolles Experiment sein.
Bist Du der Meinung, dass der Einsatz von Technologie die persönliche Kreativität auf positive Weise fördert?
Ich denke auf jeden Fall, dass sie als positiver Anreiz wirken kann. Am Anfang ist es sicher schwierig, man muss viel experimentieren und sich Gedanken machen, um Neues zu schaffen. Aber durch den Prozess kann man wachsen und eine Menge lernen.
Welche Art der Zusammenarbeit erwartest Du von diesem interdisziplinären Projekt mit dem MIT?
Mit diesem Projekt versuche ich, aus meiner Komfortzone auszubrechen. Gerade in diesen Tagen fühle ich mich so anfällig, in Manierismus zu verfallen, d.h. nicht originell und nicht kreativ zu sein und dieselben Dinge im Lauf der Zeit zu wiederholen. Ich freue mich darauf, etwas Neues, etwas Experimentelles auszuprobieren. Bisherige Treffen mit anderen Akademie-Teilnehmer*innen waren sehr produktiv, und ich habe schon viel von ihnen gelernt. Ich bin sicher, dass das auch mit den Studierenden vom MIT so sein wird. Außerdem hoffe ich, durch dieses Projekt etwas für die sich schnell verändernde Welt mitnehmen zu können.
Beitragsbild über dem Text: Yunju Lee: Untitled and ~(waves) (2021). Foto: Yunju Lee.
Zitierweise
Yunju Lee (2022): ZERO Interviews: Yunju Lee. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d16275
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