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ZERO Interviews: Margareta Bartelmeß

Wen Bi im Gespräch mit Margareta Bartelmeß | Bereich: Interviews

Übersicht: Das Interview mit Wen Bi entstand in der Zero foundation im Rahmen des Projekts „each grows stronger when nourished by the other“ (György Kepes). Es ist Teil einer Reihe, in der die am Projekt beteiligten Künstler*innen über ihre Kunst, ihre Bezüge zur Wissenschaft sowie ihre Verbindung zu den ZERO-Künstlern berichten. Der Titel des Projekts lautet Sehen, Hören und Fühlen – Phänomene in Natur, Wissenschaft und Kunst; es ist eine Kooperation der ZERO foundation, Düsseldorf, mit dem MIT Museum Studio und der Compton Gallery des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, MA, USA sowie der staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Gefördert wird es vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der E.ON Stiftung gGmbH. Alle ZERO-Interviews sind Zweitveröffentlichungen und wurden zuvor auf der Website der ZERO foundation publiziert.

Kennst Du Dich mit den ZERO-Künstlern/der ZERO-Bewegung in den 1960er Jahren aus? Wie beeinflussen Dich die Kunstwerke oder die Konzepte der ZERO-Künstler?
Ich bin, wenn ich mir die Kunstwerke und Aktionen der ZERO-Künstler ansehe, begeistert von der Euphorie und dem Selbstbewusstsein, die von den Arbeiten ausgehen. Außerdem gefallen mir die Gedanken zu Licht und Raum sehr. Die Arbeiten scheinen mir eine Art Grundstudium zu sein, wenn man sich mit Raum, Material, Licht und Bewegung beschäftigt. Das ist für mich auch eine große Inspiration für Überlegungen rund um den Bühnenraum.

Interessierst Du Dich für den zeitgenössischen Diskurs zwischen Kunst und Wissenschaft? Wie integrierst Du wissenschaftliche Konzepte im Kunstschaffen?
Ich freue mich immer, wenn Kunst und Wissenschaft Anknüpfungspunkte finden. Als ich noch in Karlsruhe wohnte, war das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien für mich immer die liebste Anlaufstelle für zeitgenössische Kunst. Um mich über aktuelle Forschung zu informieren, besuche ich hier in Düsseldorf gerne die Veranstaltungen des Hauses der Universität. Wissenschaftskommunikation finde ich ein sehr wichtiges Thema, um Forschung aus ihrer Spezialisten-Blase herauszuholen und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Und da kann Kunst einen großen Beitrag leisten.

In meinen eigenen Arbeiten kommen immer nur einzelne wissenschaftliche Aspekte zum Tragen, wie zum Beispiel Bilder, die ich zweckentfremde. Ein Steckenpferd von mir sind kleinere Programmieraufgaben und 3D-Drucke für meine Arbeiten. Das würde ich aber nicht als wissenschaftliches Arbeiten, sondern eher als Technikspielerei bezeichnen, die mir einfach Spaß macht.

Sollte ein Künstler Deiner Meinung nach gesellschaftspolitische Themen künstlerisch umsetzen?
Ja und nein. Generell finde ich, dass man jedes Thema künstlerisch umsetzen kann. Ich finde es immer bewundernswert, wenn ein Kunstwerk Bezug auf die gesellschaftspolitische Lage nimmt. Allerdings gibt es dort eine Art Unschärferelation. Je konkreter die politische Aussage wird, desto flacher wird oft das Kunstwerk. Je komplexer das Kunstwerk wird, desto schwammiger wird auch die politische Aussage.

Hat Dir beim Studium der Geophysik der kreative, der schöpferische Anteil gefehlt?
Die Studiengänge Geophysik und Kunst sind sehr unterschiedlich, gerade in der Art des Lernens. Ich finde durchaus, dass kreative Prozesse Teil des wissenschaftlichen Arbeitens sind. Allerdings wird man in der Physik, je mehr man lernt, immer spezieller in seinem Fachgebiet. Je weiter ein Problem erforscht wird, desto expliziter werden die Fragestellungen. Das habe ich als Einschränkung meiner Kreativität empfunden. Ich hatte Lust, alle meine Fragen in einen großen Topf zu werfen und mehr als nur eine naturwissenschaftliche Antwort darauf zu finden. Deshalb habe ich dann zunächst an verschiedenen Theatern hospitiert. Die Idee, dass ein Raum doch noch mehr sein könnte, als ein mathematisches Konstrukt, hat mich begeistert.

Hast Du durch die vorherige Beschäftigung mit den Naturwissenschaften einen anderen Blick auf die Kunst bekommen?
Das weiß ich nicht. Ich habe mich schon immer für beides interessiert und kann daher nicht sagen, was meinen Blick auf was beeinflusst.

Wie verbindest Du Deine Kunst mit Wissenschaft?
Ich versuche meistens gar nicht bewusst wissenschaftliche Aspekte in meine Arbeit einfließen zu lassen. Das passiert eher zufällig, wenn ich mich mit einem Thema beschäftige und mir überlege, wie etwas genau ausschaut. Dann ist die Beobachtung von ganz nah oder ganz weit weg ein einfaches Mittel, um darüber etwas herauszufinden. Oder ich finde beim Lesen von wissenschaftlichen Texten Aspekte, die mich interessieren und von denen ich denke, dass es spannend ist, sie auch noch auf eine andere Art und Weise als eine wissenschaftliche zu untersuchen. Zum Beispiel auf eine ästhetische oder eine emotionale.

Wie könnte Deiner Meinung nach die Verwendung von Technik die Beobachtungsmöglichkeit und die Wahrnehmung beeinflussen?
Technik beeinflusst immer unsere Wahrnehmung. Das fängt schon damit an, dass Innenräume mit künstlichem Licht ausgeleuchtet sind. Viele Menschen tragen eine Brille, und fast jeder hat eine Kamera in seinem Smartphone. Meine Beobachtung ist, dass fast jede Technologie, egal wie unvorstellbar sie mal schien, schnell Einzug in unseren Alltag hält. Und natürlich auch in die Kunst. Spannend in der Kunst finde ich, wieder gezielte Beobachtungen zu machen und sich dabei der Technik bewusst zu sein, die man nutzt, und dadurch einen neuen Blick zu erlangen. Ob das aber ein Fernglas, ein Teleskop oder ein Computertomograf ist, ist vom Prinzip her dasselbe.

Auf dem Rundgang hast Du eine Installation aus topografischen Luftbildern und alten Landschaftsaufnahmen gezeigt. Was bedeutet für Dich die Überlappung und die Verknüpfung von künstlerischem und realem Raum?
Diese Überlappung ist eine Beobachtung aus meinem Alltag. Ich sitze gerade vor meinem Laptop im Wohnzimmer, habe sowohl ein Textdokument, als auch ein Fenster im Browser geöffnet. Gleichzeitig habe ich durch das Fenster einen Blick auf das gegenüberliegende Haus und dessen Fenster. Außerdem kann ich über einen Spiegel durch die geöffnete Wohnzimmertür in den Flur schauen. In welchem Raum befinde ich mich? Wenn mich nicht gerade ein körperliches Befinden daran erinnert, wo genau ich bin, befinde ich mich auf irgendeine Art und Weise in allen diesen Räumen gleichzeitig. Beziehungsweise immer dort, wo ich gerade meine Aufmerksamkeit hinlenke. Die Installation war ein Versuch, dieses Gefühl der Überlappung künstlich wiederherzustellen und durch die Bewegung auch die verschiedene Zeitlichkeit der Räume zu imitieren.

Du hast Erfahrung mit Theatern und Bühnen gesammelt, wie kombinierst Du wissenschaftliche Gedanken, künstlerische Ideen und praktische Erfahrung im Theater in Deinem Kunstschaffen?
Was mich am Theater begeistert, ist, dass man Themen sehr konkret und gleichzeitig abstrakt behandeln kann. Die konkrete Ebene entsteht allein dadurch, dass man einen Text behandelt, mit vielen Leuten zusammenarbeitet und eine konkrete Kommunikation führen muss. Die abstrakte Ebene entsteht durch das intuitive Ausprobieren. Dadurch entwickelt sich ein interessantes Spannungsfeld, welches mir große Freude bereitet. Sowohl als Mitwirkende wie als auch als Zuschauerin.

Beitragsbild über dem Text: Niemandes Boden (2022). Performance, Regie: Gabriel Carneiro. Video-Still, Video: Margareta Bartelmeß.

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