Rebecca Welkens im Gespräch mit Christoph Thormann | Bereich: Interviews
Übersicht: Das Interview mit Rebecca Welkens entstand in der Zero foundation im Rahmen des Projekts „each grows stronger when nourished by the other“ (György Kepes). Es ist Teil einer Reihe, in der die am Projekt beteiligten Künstler*innen über ihre Kunst, ihre Bezüge zur Wissenschaft sowie ihre Verbindung zu den ZERO-Künstlern berichten. Der Titel des Projekts lautet Sehen, Hören und Fühlen – Phänomene in Natur, Wissenschaft und Kunst; es ist eine Kooperation der ZERO foundation, Düsseldorf, mit dem MIT Museum Studio und der Compton Gallery des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, MA, USA sowie der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Gefördert wird es vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der E.ON Stiftung gGmbH. Alle ZERO-Interviews sind Zweitveröffentlichungen und wurden zuvor auf der Website der ZERO foundation publiziert.
In den 1950er und 1960er Jahren gab es einen regelrechten Technik-Boom, von dem die ZERO Bewegung stark beeinflusst und mitbestimmt wurde. Was bedeutet Technik für Deine Arbeit und kannst Du Parallelen zwischen ZERO und Deiner eigenen Arbeit ziehen?
Die Arbeiten der Gruppe ZERO waren für mich immer schon von besonderer Bedeutung, da ich in Düsseldorf geboren und aufgewachsen bin. Die ZERO-Kunst ist in Düsseldorf allgegenwärtig. Auch die Technik umgibt uns überall in unserem Alltag. Seit es den Homo sapiens gibt, hat er Dinge erfunden und somit die Zwänge der Natur überwunden. Doch je mehr wir die Natur beherrschen wollen, desto weiter entfernt sie sich von uns. Technik ist selbstverständlich für uns geworden, wobei Natur zu etwas Abstraktem wird. Wenn man sich allerdings Malerei anschaut, geht man nicht davon aus, dass diese maschinell hergestellt wurde. An dieser Schnittstelle von digital zu analog arbeite ich. Damit will ich die zunehmende Technologisierung zu meinem Thema machen und kritisch die Frage nach dem Vorteil von Maschinen und dem Sinn von Arbeit stellen. Denn je mehr wir das überwinden, was uns bedrohlich erscheint (Natur), desto mehr wird unser eigenes Tun zur Bedrohung.
Die ZERO-Bewegung wollte einst einen Neuanfang etablieren und die Weltkriegskunst hinter sich lassen. Mit meiner fiktiven Firma Heart-Working™ habe ich mir zum Ziel gesetzt, Kunst zu machen, die eine neue Ästhetik erschafft, indem ich vor allem auf Automatisierung setze und auf Selbstbestimmung weitestgehend verzichte. Als Vorbild für meine Maschinen dient mir u.a. Yves Tinguely mit seinen Meta Matic-Zeichenmaschinen, mit deren Hilfe er die abstrakte Malerei kritisch beleuchtet und Betrachter*innen in den Gestaltungsprozess mit einbezogen hat.
Wie sieht Deine Arbeitsweise im Hinblick auf Roboter aus? Wie entstehen sie und was können sie?
Ich zeichne zunächst am Computer, übersetze das in Maschinensprache. Die Maschinen programmiere ich selbst, indem ich Codes verwende, die auch im Internet frei zugänglich sind. Ich passe die Codes dann an meine Vorstellungen an, sodass die Maschine schneller oder langsamer fährt, mehr oder weniger Öl ausgibt. Die Maschinen, mit denen ich arbeite, sind CNC-Maschinen, die auch in Schreinereien zum Bohren von Löchern und Ausschneiden verwendet werden. Es handelt sich nicht um vielseitig bewegliche Roboter, sondern um Geräte, die hoch und runter, links und rechts fahren können. Dennoch habe ich für die Fertigung der ersten Maschine knapp drei Jahre gebraucht, bis sie mit Öl drucken und Acryl sprühen konnte. Andere wiederum sind mittlerweile so umfunktioniert, dass sie beispielsweise auch Radierungen anfertigen. Ich überlege immer vorher, was ich gerne hätte, und die Maschine setzt es dann um. Es ist wenig Zufall in der Umsetzung, sondern alles geplant. Während des Prozesses gibt es aber immer für mich die Möglichkeit einzugreifen, beispielsweise spontan die Achsen zu blockieren – die rattern dann, und es entsteht ein Versatz im ganzen Bild.
Für die Zukunft wäre es für mich spannend, mal einen maschinellen Roboterarm zu programmieren. Generell würde ich zukünftig gerne mehr in Richtung Performance von Maschinen und Rauminstallation gehen.
Hast Du Dir vor dem Bau der Maschine genau überlegt, was sie umsetzen soll oder kamen Dir die Ideen zur Umsetzung spontan?
Ich wollte immer eine Maschine bauen, die Öl auf Leinwand drucken kann. Die ursprüngliche Idee kam durch Plotter, d.h. computergesteuerte Zeichengeräte, die im Architekturkontext verwendet werden und mit denen technische Zeichnungen auf verschiedenen Materialien dargestellt werden können. Zuerst wollte ich einen eigenen, großen Plotter selbst bauen, um fotorealistisch Öl auf Leinwand zu drucken. Für fotorealistische Umsetzungen bräuchte man aber mehrere Farben, welche dann Raster bilden, die ein Bild ergeben – wie beim Siebdruck. Die Idee habe ich nicht verworfen, aber nach Vollendung der Maschine zunächst ein Raster gedruckt. Dieses Raster fand ich ästhetisch sehr interessant, weil es nahezu perfekt ist; es hat jedoch an manchen Stellen mehr, an anderen weniger Öl gedruckt. Damit variierte die Größe der Kästchen, was wiederum eine schöne Struktur ergab. So bin ich erstmal bei den Rastern geblieben.
Deine Herstellungsmethoden sind, wie Du beschrieben hast, sehr vielseitig und umfassen neben der klassischen Malerei und verschiedenen druckgraphischen Techniken auch Roboter als Hilfsmittel. Inwiefern greifen die Methoden ineinander, werden kombinierbar?
Ich mache keine Malerei mehr im klassischen Sinne, sondern erwecke nur den Eindruck, dass sie von Menschenhand ist. Die Methoden der klassischen Malerei bzw. der Grafik sind der Technologie untergeordnet und bedienen sich lediglich der jeweiligen Technik, z.B. Radiernadel und Kupferplatte.
Wo verortest Du Dich in diesem Schaffensprozess, der auf den ersten Blick wie ein stufenweises Abrücken vom Künstler als schöpferisches Subjekt erscheint?
Ich denke nicht, dass die Nutzung von Maschinen ein Abrücken vom schöpferischen Prozess ist. Es ist wie einst die Fotografie nur eine neue Möglichkeit, Ideen umzusetzen. Bei der Fotografie funktioniert die Kamera auch nur mit dem Menschen, und nicht jeder Fotograf macht gleich Kunst. Das romantische Bild vom Künstler an der Staffelei ist überholt, was man beispielsweise bei den hochpreisigen Versteigerungen der Non-Fungible Tokens (NFT) bzw. der Krypto-Kunst sieht.
Bleiben wir noch kurz bei Deinen Werken. Wie beziehst Du die Betrachter*innen mit in Deine Werke ein? Welche Rolle spielen sie für Deine Werke?
Meine Werke sind Spiegel der heutigen Medien und entziehen sich der gewöhnlichen Sehgewohnheiten. Im Idealfall haben Betrachter*innen für einen Moment Spaß, lassen das Werk auf sich wirken und kommen somit für einen Moment zur Ruhe. Die größte Faszination geht bei der Arbeit allerdings von den Maschinen aus, und sobald man sich mehr mit meiner Arbeitsweise und dem Einsatz der Maschinen auseinandergesetzt hat, laden die eher abstrakt wirkenden Kunstwerke zur näheren Betrachtung und auch zur Reflexion. Deshalb würde ich gerne die Arbeit der Maschinen im Rahmen einer Ausstellung bzw. Performance präsentieren.
Du beschäftigst Dich auch mit Fragen zur künstlichen Intelligenz (KI) – wie sieht diese Auseinandersetzung aus und welche Fragestellungen ergeben sich für Deine Kunst?
Bis jetzt mache ich nur Linien und Raster und beschäftige mich mit KI hauptsächlich in der Theorie. Ich möchte meine Werke mit mehr Komplexität aufladen, ohne dass ich selbst immer wieder eingreifen muss. Ich stelle mir das so vor, dass man verschiedene Formen hat, und die KI setzt sie dann einfach zusammen, sodass auch mehr Zufall in den Schaffensprozess einfließt. Dafür reicht dann schon ein Zufallsgenerator, damit Muster entstehen, die nicht von mir kommen.
Insbesondere in Bezug auf KI sind Erinnerungen ja besonders spannend, bedenkt man beispielsweise die Arbeiten des englischen Künstlers Matt Collishaw, der KI einsetzt, um die Vergangenheit in gewisser Weise zu rekonstruieren und Leerstellen zu füllen, Erinnerungen also wieder auferstehen zu lassen. Welche Rolle spielen Erfahrung und Erinnerung in Deiner Kunst?
In meiner Kunst spielen Erfahrung und Erinnerung nur eine untergeordnete Rolle. Ich sehe persönliche Erfahrung und Erinnerung vielmehr als Wegbereiter für meine Kunst. Ich denke da beispielsweise an meine frühe Faszination durch Bildbearbeitungsprogramme, die mehr Möglichkeiten zur Bearbeitung einer Fotografie bieten. Dabei bin ich immer geblieben, finde es aber sehr schwer, nur digitale Kunst zu machen. Deshalb gibt es bei mir immer den Versuch, mithilfe der Maschine das Digitale ins Analoge, also auf die Leinwand, zu übersetzen. Ich denke, es ist nett, ein Bild nur digital zu besitzen, wie am Beispiel der NFT’s sichtbar wird, aber es ist nicht Reales, nichts, was ich anfassen kann, sondern wirklich nur eine Datei. Diesen Schritt versuche ich zu überspringen, indem ich die Datei auf die Leinwand übersetze. Es gibt auch zahlreiche andere Künstler*innen, die ebenfalls mit Maschinen zeichnen, aber meist wird versucht, Menschen zu imitieren. Ich versuche hingegen, mich auf das einzulassen, was die Maschine kann. Ich handle während des gesamten Prozesses also als Assistent der Maschine.
Das Thema KI ist recht ambivalent, weil man auf der einen Seite natürlich immer von Automatisierung, Digitalisierung etc. und der damit verbundenen Sorge der Überflüssigkeit menschlicher Arbeitsprozesse spricht – löst der Roboter nun auch in der Kunst den Menschen ab? Wie stehst Du dazu?
Ich bin mir sicher, dass Roboter uns in Zukunft noch mehr Arbeit abnehmen werden. Allerdings ist unsere Gesellschaft schlecht darauf vorbereitet. Wir befinden uns in einem System, was darauf ausgerichtet ist, dass man Geld verdienen möchte oder muss, um seine Träume zu erfüllen. Dabei werden immer mehr Jobs von Maschinen übernommen, während es im Bildungsbereich kaum Weiterentwicklungen gibt. Das halte ich für sehr problematisch, denn es wird immer mehr auf Technologien gesetzt, aber wenig darüber nachgedacht, welche Konsequenzen diese für unsere Gesellschaft haben. Roboter können zwar heute schon mit KI Kunst herstellen, aber den Menschen nicht ersetzen; Kunstformen wie Malerei werden uns immer erhalten bleiben.
Wie sieht für Dich im Hinblick auf die neuen Technologien die Zukunft der Kunst aus?
Ich denke, dass mehr Kunst konsumiert wird, was aber nicht bedeutet, dass mehr Kunst gekauft wird. Es wird wichtiger, etwas zu erschaffen, was nur in der Realität gut funktioniert. Kunst muss – wie einst schon bei ZERO – erlebbar gemacht werden. Werke müssen unter echtem Licht betrachtet werden, da reicht nicht nur ein bloßes Foto. Um meine Maschinen kann man auch herumgehen, sie machen Geräusche bei der Arbeit, man kann verschiedene Blickwinkel und Perspektiven einnehmen – das geht im digitalen Raum verloren. Ich denke, für die Zukunft wird es wichtiger denn je, dass wir wieder von den Bildschirmen wegkommen und Dinge wirklich sehen.
Lieber Christoph, vielen Dank für das spannende Interview!
Beitragsbild über dem Text: Christoph Thormann: TESTPATTERN (2020). Foto: Christoph Thormann.
Zitierweise
Rebecca Welkens (2022): ZERO-Interviews: Christoph Thormann. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d16219
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