w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst
Press "Enter" to skip to content

(Y)OUR DATA IS A BATTLEGROUND

Text: Michael Klipphahn-Karge | Bereich: Beiträge über Künstlerinnen / Austellungen

Übersicht: Die Ausstellung Y(OUR) DATA IS A BATTLEGROUND des Kunstvereins Meißen e. V. widmet sich dem Thema Künstliche Intelligenz mit Werken des Moving Target Collective (Amelie Goldfuß, Natalie Sontopski und Alexa Steinbrück), von Fabian Hampel, Simone C. Niquille/Technoflesh und Maximilian Stühlen. Die von Michael Klipphahn, Schaufler Lab@TU Dresden, kuratierte Ausstellung ist vom 5. März bis 23. April 2022 zu sehen.

Welches ist das Konzept der Ausstellung?
Die Ausstellung Y(OUR) DATA IS A BATTLEGROUND beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) aus dem Blickwinkel junger, vornehmlich ostdeutscher Gegenwartskunst in einem interdisziplinären Zusammenhang. Die meisten der gezeigten Künstler*innen und Forscher*innen haben ihren Studien- oder Lebensmittelpunkt in den ostdeutschen Bundesländern. Alle widmen sich einer kritischen Reflexion über Verfahren von KI-Technik, arbeiten an dem Umgang mit zugrundeliegenden Datensätzen oder begreifen Digitalität und KI als Anlass ihrer künstlerischen Auseinandersetzung. Zur Realisation ihrer Werke verwenden die Künstler*innen selbst überwiegend Verfahrensweisen aus dem Bereich KI oder bedienen sich entsprechender Narrative.

Ausstellungsansicht: Y(OUR) DATA IS A BATTLEGROUND (2022). Foto: Ellen Türke.
Ausstellungsansicht: Y(OUR) DATA IS A BATTLEGROUND (2022). Foto: Ellen Türke.

Die Ausstellung möchte vor allem einem Mangel entgegenwirken: Denn gerade im ländlichen Raum gibt es oft ein Defizit an zukunftsträchtigen und auf einen hohen vermittelnden Anteil angelegten Ausstellungsprojekten, die sich neueren Techniken und anhänglichen Technologien aus einer kritischen Sicht und gleichzeitig inklusiven, d.h. Diversität betonenden und Pluralität einbindenden Perspektive nähern.

An welche früheren Ausstellungen wird angeknüpft? Werden dabei neue Akzente gesetzt?
Der Titel der Ausstellung bezieht sich frei auf eine Arbeit der US-amerikanischen Künstlerin Barbara Kruger, die unter dem ikonischen Slogan Your body is a battleground 1989 für den Women’s March on Washington zur Unterstützung des Einsatzes für reproduktive Freiheit von Frauen geschaffen wurde. Ähnlich zum weiblichen Körper als Kampfplatz politischer Überzeugungen und Zuschreibungen sind heute oftmals personenbezogene und soziale Daten als Grundstock maschineller Statistikmodelle und Verfahren umkämpft und umstritten.

Generell gab es jüngst zahlreiche Kunstausstellungen zum Thema KI. Beispiele dafür waren im Barbican Centre in London, im Museum für Angewandte Kunst in Wien, im Haus der elektronischen Künste in Basel, im Kunstverein Hannover und im M. H. de Young Museum in San Francisco zu sehen. Dutzende Einzelpräsentationen von Künstler*innen wie Nora Al-Badri, Refik Anadol, Sougwen Chung, Trevor Paglen und Hito Steyerl, die mindestens anteilig codierte, aktiv reagierende und/oder mit Hilfe von KI erschaffene Elemente enthielten, wurden ebenso realisiert. Künstler*innen und Ausstellungsinstitutionen haben also begonnen, das Potenzial von KI als kreatives Instrument, als nichtmenschlicher Kollaborateur, als disruptive Technik – im Sinne einer radikalen Innovation, die bestehende Techniken abzulösen imstande ist –, als Objekt, das zu systematischer Kritik und Reibung anregt, und als Anlass künstlerischer Arbeit zu erforschen und zu nutzen.

Ausstellungsansicht: Y(OUR) DATA IS A BATTLEGROUND (2022). Foto: Ellen Türke.
Ausstellungsansicht: Y(OUR) DATA IS A BATTLEGROUND (2022). Foto: Ellen Türke.

Auf welchen Überlegungen und Überzeugungen beruht Ihr Ausstellungskonzept und welche gezeigten Positionen und Werke untermauern das?
Die theoretische Rahmung und Perspektivbildung der Ausstellung dient dem Zweck, Theorien, Narrative und Praktiken von KI aus einer künstlerisch-vermittelnden und geistes-, sozial- sowie technikwissenschaftlichen Perspektive zu vermitteln. Angestrebt wird eine Präzisierung der diskursiven Verschränkungen von KI und Kunst aus dem Blickwinkel junger, weniger etablierter Gegenwartskunst. Ziel ist es, die Diskussion stärker in die Auseinandersetzung im ländlichen Raum zu bringen und dort Debatten zu vermitteln, die Funktionsweisen von KI aufzeigen. Dementsprechend beschäftigen sich die gezeigten Positionen mit dem Umgang mit Daten in Verfahrensweisen von KI sowie den Auswirkungen von KI auf das Allgemeinwesen, die kritische Auseinandersetzung mit KI. In KI eingeschriebene Diskriminierungspraktiken und Geschichten von Bias spielen ebenfalls eine Rolle.

In der Ausstellung Y(OUR) DATA IS A BATTLEGROUND werden Werke des Moving Target Collective (Amelie Goldfuß, Natalie Sontopski und Alexa Steinbrück), von Fabian Hampel, Simone C. Niquille/Technoflesh und Maximilian Stühlen gezeigt. Die Ausstellung ist von Michael Klipphahn, Schaufler Lab@TU Dresden, kuratiert worden. In diesem Kolleg kooperieren Forschende aus den Geistes- und Sozialwissenschaften mit Kunstschaffenden und Forschenden aus den MINT-Fächern zu KI.

Das Moving Target Collective ist ein interdisziplinäres Kunstkollektiv, das sich im Rahmen feministischer Technikstudien mit KI befasst. Alexa Steinbrück ist Softwareentwicklerin, Künstlerin und Designforscherin. Sie hat einen Abschluss in KI von der Universität Amsterdam und leitet ein Labor für KI an der Kunsthochschule in Halle. Natalie Sontopski ist Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Komplexlabor Digitale Kultur an der Hochschule Merseburg. Ihr Schwerpunkt liegt auf feministischen Technologiestudien, Mensch-Maschine-Interaktion und Design. Amelie Goldfuß ist eine Leipziger Künstlerin und Designerin mit Schwerpunkt auf spekulativem Design, Robotik und KI. Sie nutzt disziplinübergreifende Ansätze, um Themen wie Mensch-Maschine-Beziehungen oder Gender in Technik zu behandeln.

Moving Target Collective: Once An Assistant, Always An Assistant (2022). Foto: Ellen Türke.
Moving Target Collective: Once An Assistant, Always An Assistant (2022). Foto: Ellen Türke.

Das Kollektiv zeigt in dieser Ausstellung drei Werke:

Once An Assistant, Always An Assistant ist eine Arbeit von 2022. Sie besteht aus einer Assemblage von Gegenständen und Textbausteinen auf einem Tisch. Die vornehmlich technischen Artefakte bestehen unter anderem aus einer Schreibmaschine, Typ Olympia, einem Gabeltelefon, beide aus den 1930er Jahren, und einem Smartphone. Texte und diverse Bildbeispiele dienen hauptsächlich der Vermittlung des Verhältnisses von KI zu Gleichstellung und Gender. Der Artikel von Amelie Goldfuß und Natalie Sontopski Once An Assistant, Always An Assistant von 2021 dient als Grundlage dieser Installation und kann vor Ort eingesehen werden.[1] Darin wird ein Prozess der Feminisierung in der Arbeitswelt der Moderne identifiziert und nachgezeichnet, innerhalb dessen Berufe wie Typistin oder Telefonistin als weiblich konnotiert wurden. Gleichzeitig fand im Privaten ein Prozess statt, in dem Elektrizität in die Haushalte einzog und eine bewusste Vermarktung von elektronischen Haushaltsgeräten, verbunden mit einer Idealisierung der elektrischen Hausfrau, stattfand. Dadurch wurden Vorstellungen von assistierender und häuslicher Arbeit feminisiert. Diese Verbindung wurde durch Berufe wie Sekretärin, Personalassistenz oder Care-Arbeit reproduziert und dadurch zum diskursiven Fundament, auf dem die Entwicklung der feminisierten Charakteristika von KI-Anwendungen wie Amazons Alexa oder Apples Siri aufbauen. Derartige Sprachassistenzen verstärken so eine Kultur, die Frauen mit Assistentinnen gleichsetzt. Als Konsequenz wird diese gezielte Feminisierung von intelligenten Sprachassistenzsystemen von Unternehmen eingesetzt, um die eigene Technik besser zu verkaufen und Absatzmärkte zu erschließen. Die Arbeit Once An Assistant, Always An Assistant zeigt demgegenüber, dass KI-Anwendungen oft nur klischeebehaftete Geschlechterstereotype reproduzieren.

Moving Target Collective: Latent Riot (2021). Foto: Ellen Türke.
Moving Target Collective: Latent Riot (2021). Foto: Ellen Türke.

Die Videoinstallation Latent Riot von 2021 ist eine Serie artifizieller Protestschilder, die mit Hilfe eines generativen neuronalen Netzes erzeugt wurden. Dazu wurde ein sogenanntes StyleGAN, eine Möglichkeit mittels KI Bilder auf Basis maschineller Lernverfahren zu erzeugen, mit dem Datensatz Art of the March trainiert, einem Online-Archiv von Protestplakaten und -schildern, die im Anschluss an den historischen Women’s March 2017 in Boston, USA, archiviert wurden. Drei Professor*innen sammelten dafür über 6.000 Protestschilder, sortierten und analysierten diese, digitalisierten sie und versahen sie mit Tags. Entsprechende Metadaten wurden über eine Programmierschnittstelle verfügbar gemacht. Die Schilder sind größtenteils von Hand gezeichnet, manchmal schabloniert oder mit Klebeband hergestellt. Die Botschaften sind witzig, wütend, humorvoll, manchmal geradeheraus artikuliert und manchmal ein wenig willkürlich. Einige Demonstrant*innen fügten den Textbotschaften Zeichnungen oder Collagen hinzu. Nach dem Trainieren des StyleGANs auf den Art-of-the-March-Datensatz wurde es eingesetzt, um neue Bilder zu erzeugen. Generative neuronale Netzwerke wie StyleGANs sind gut darin, die visuellen Eigenschaften eines Trainingsdatensatzes zu erfassen. Das ermöglicht die Erstellung einer Vielzahl von Kopien, die die Ästhetik des Datensatzes imitieren. Wie alle Machine-Learning-Modelle verfügt jedoch auch dieses Modell nicht über ein tieferes Verständnis dessen, was es sieht: Der Text eines Protestschilds wird Pixel für Pixel auf visuelle Merkmale hin analysiert, doch die Wörter bleiben Pixel und entbehren damit einer Bedeutung. Die Botschaften auf den Protestschildern sind Beispiele für eine äußerst prägnante, aber spielerische Sprache, voller Anspielungen, Ironie und Wortwitz. Eine Maschine dazu zu bringen, diese Art von Botschaften zu verstehen, ist bisher nicht möglich. Denn das würde ein repräsentatives Verständnis der menschlichen Welt erfordern, über das keines der derzeitigen KI-Systeme verfügt.

Moving Target Collective: MiauMiau (2019). Foto: Ellen Türke.
Moving Target Collective: MiauMiau (2019). Foto: Ellen Türke.

Außerdem wird die Audioinstallation MiauMiau von 2019 gezeigt. Siri, Alexa, Cortana –in den letzten Jahren hat es einen Boom an intelligenten Sprachassistenzsystemen mit weiblichen Stimmen gegeben, die Unterstützung im Alltag versprechen. Es existieren auch Systeme, die für wesentlich komplexere Prozesse eingesetzt werden – diese tragen allerdings männliche Namen: So trat IBMs KI Watson in der TV-Quizshow Jeopardy gegen menschliche Mitspieler*innen an, während die KI Einstein für das Unternehmen Salesforce komplexe Datenanalysen erstellt. Die Frage, ob die Abwertung weiblicher Eigenschaften sowie die Objektifizierung von Frauen bei KI reproduziert wird, war der Ausgangspunkt für die experimentelle Installation MiauMiau. Das Werk ist ein Prototyp für eine fiktive feministische Sprachassistenz, mit der Nutzer*innen interagieren können. In einer früheren Präsentation steckte hinter MiauMiau allerdings keine KI, sondern eine Schauspielerin. Diese saß, unsichtbar für Nutzer*innen, in einem separaten Raum und kommunizierte als MiauMiau über Funk. Im Rahmen einer Publikumsveranstaltung rund um KI konnten Besucher*innen mit MiauMiau interagieren, die Gespräche wurden aufgezeichnet und bildeten so die Grundlage dieser Audioinstallation. Im Fokus der Installation steht die Frage, wie Nutzer*innen auf ein KI-System mit weiblicher Stimme reagieren, dessen Charakter sich nicht an stereotyp weiblichen Eigenschaften orientiert: Statt serviceorientiert ist MiauMiau faul, statt höflich abrupt und schroff, statt hilfsbereit verwirrend und statt empathisch ist sie frech. Inspiration für den Charakter waren Katzen, die als generell unabhängig und unberechenbar gelten. Daraus ergeben sich auch der Name und die plüschige Gestaltung MiauMiaus.

Fabian Hampel: L. Existing Ghost I & II (2022), R. This Ghost Does Exist (2020). Foto: Ellen Türke.
Fabian Hampel: L. Existing Ghost I & II (2022), R. This Ghost Does Exist (2020). Foto: Ellen Türke.

Fabian Hampel ist ein Leipziger Künstler, er studierte Fotografie und Film an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Er beschäftigt sich mit Deep-Fakes, täuschend echten Audio- und Videodateien, die mithilfe von KI erstellt wurden, Bilddatenbanken und GANs – einer Möglichkeit der algorithmenbasierten Bildgenerierung. In seinem Werk This Ghost Does Exist, einem 4K-Video in der Länge 23:30 min von 2020, wird eine KI beobachtet – ein neuronales Netz im Prozess der Arbeit. Diese digitale Entität wird im Film durch eine monologische Stimme verkörpert, die sich in direkter Rede an das Publikum wendet. Die Stimme fordert das Publikum zu einem Gedankenexperiment heraus. Das Ziel dieses Gedankenexperiments, im Film kollektive Halluzination genannt, ist es, eine visuelle Erscheinung für die eigentlich nicht konkret sichtbare algorithmische Struktur zu errechnen. Die Grundlage dieser Berechnungen ist ein Datensatz von Bildern, der unter dem Stichwort Figure aus diversen digitalen Museumssammlungen der Welt kombiniert wurde. Das Ersinnen einer bildlichen Fiktion in This Ghost Does Exist geht mit dem Interesse einher, die Qualität der Ergebnisse des GANs zu überprüfen – aber auch unabhängig vom Inhalt den Fokus auf die Form zu lenken: auf die Form als algorithmische Funktion, als Versuch einer Formulierung und Sichtbarmachung dieser vernetzten Art der Informationsverarbeitung und des strukturellen Denkens. Parallel zeigt Fabian Hempel aus dem Werk resultierende Fotoeditionen, die hinter Glas und auf Aluminium gedruckten Werke Existing Ghost I & II.

Maximilian Stühlen: AFK Eden (2020). Foto: Max Stühlen.
Maximilian Stühlen: AFK Eden (2020). Foto: Max Stühlen.

Maximilian Stühlen ist ein Dresdner Künstler, er studierte Bildende Kunst an der Hochschule für Bildende Künste, sowie an der Leeds University for Fine Arts & Cultural Studies. Thematisch widmet er sich dem Verhältnis von Virtualität und Realität. Stühlens Videoarbeit AFK Eden, ein 4K-Video in der Länge 3,30min aus dem Jahr 2020, verhandelt die Auflösungen der Kategorien von Natürlichkeit und Künstlichkeit. Das Kürzel „AFK“ bedeutet „away from keyboard“ und meint, gerade nicht an der Tastatur zu sein. Damit wird ausgedrückt, dass sich Benutzer*innen in einem bestimmten Zeitraum nicht am Computer oder Ähnlichem befinden. „AFK“ stammt aus der Gamer- und Chatkultur und steht letztlich für eine Unterbrechung der Verbindung zwischen Avatar und Mensch. In diesem Zeitraum ist der virtuelle oder digitale Avatar quasi auf sich gestellt, ohne Kontrolle des Menschen. Benutzer*innen wiederum entziehen sich ihrerseits der Kontrolle und den Ordnungen des digitalen Raums, wenn sie AFK sind. Damit verweist die Arbeit auf einen Zeitraum der Abwesenheit. In diesem findet keine Vernetzung von Mensch und Maschine statt. So spricht das Werk auch aktuelle Vorstellungen von technischer Autonomie und maschineller Abhängigkeit des Menschen an. Das führt zu der Frage, was überhaupt Realität ist und in welcher Realität der Mensch handelt. Der Künstler überhöht diese Frage, indem er der Auflösung des Natürlichen mit einer paradiesisch anmutenden, allerdings künstlichen Natur begegnet, die computergeneriert ist. Der Eindruck eines echten Naturraumes entsteht, der durch die Positionierung in einem künstlichen Environment gebrochen und so ambivalent wird.

Simone C. Niquille/Technoflesh: Elephant Juice (2020). Foto: Ellen Türke.
Simone C. Niquille/Technoflesh: Elephant Juice (2020). Foto: Ellen Türke.

Simone C. Niquille/Technoflesh ist eine Berlin ansässige Designer*in und Forscher*in. Ihre Praxis Technoflesh untersucht die Darstellung von Identität und die Digitalisierung im virtuellen Raum.  Niquille studierte Grafikdesign an der Rhode Island School of Design und Visual Strategies am Sandberg Institut Amsterdam. Ihr Werk Elephant Juice, ein HD-Video mit 3D-Animation, 8:45 min kombiniert mit 3 Bürostühlen von 2020, wurde vom HeK – Haus der elektronischen Künste, Basel (CH), und dem MU Hybrid Art House, Eindhoven (NL) in Auftrag geben und von Niquille mit Unterstützung von La Becque | Artist Residency, La Tour-de-Peilz (CH) realisiert. In diesem Kurzfilm macht sich eine Fledermaus als Erzähler*in Gedanken darüber, dass die menschliche Erfahrung das Grundmaterial für die subjektive und daher begrenzte Wahrnehmung von Welt liefert. In Anlehnung an den Aufsatz des Philosophen Thomas Nagel Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? paraphrasiert die Erzählung des Films diese Passage, um über die Wahrscheinlichkeit nachzudenken, ob von Menschen gebaute Computer-Vision-Systeme jemals die subjektive Weltsicht ihrer Hersteller*innen übertreffen werden. Die Handlung spielt in einem Badezimmer und folgt einer Person, die sich auf ein bevorstehendes automatisiertes Vorstellungsgespräch vorbereitet. In diesem neuartigen Rekrutierungsprozess werden die Vorstellungsgespräche vor den eigenen Webkameras der Bewerber*innen geführt. Nach der Aufzeichnung wird die Videodatei von einer Bildverarbeitungssoftware analysiert, um die Mimik der Bewerber*in im Hinblick auf erwünschte Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit, Kompatibilität und Fleiß zu bewerten. Angesichts der Kommerzialisierung und Kategorisierung des zutiefst persönlichen und heiklen Themas der Emotionen ist es von entscheidender Bedeutung, die Grenzen der Objektivität und die Risiken global angepasster Wahrnehmungssysteme zu hinterfragen. Die Worte „Elephant Juice“ sind eine häufige Fehlinterpretation von „I Love You“ durch Lippenlesesoftware, die den engen Spielraum für Fehler zwischen dem zutiefst Emotionalen und dem absurd Poetischen treffend wiedergibt.

Soll durch die Ausstellung dazu beigetragen werden, bestimmte Veränderungen zu erreichen?
Insbesondere die geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung hat in Anbetracht der rasanten Weiterentwicklung von KI-Verfahren einigen Aufwand betrieben, um auf die mit digitalen Technologien verbundenen Problemen aufmerksam zu machen. Darauf bezugnehmend verhandelt die Ausstellung Fragen nach Darstellungspolitiken maschineller Verkörperungen und technischer Möglichkeiten auf der einen Seite und der Vermittlung digitaler Technologien auf der anderen Seite. Realisiert wird das mittels der Inklusion von Positionen aus dem Design, der Soziologie, der Softwareentwicklung und den feministischen Technologiestudien, die ebenfalls künstlerisch arbeiten, teilweise das erste Mal im Rahmen einer Ausstellung. Auch zieht die Ausstellung Bilanz über das gemeinsame Herantreten dieser diversen Gruppe von Ausstellenden an Kunst, die KI zum Thema hat. Auf Basis dieser vielfältigen disziplinären Hintergründe erscheint es sinnvoll, eine gemeinsame Präzisierung von KI als Gegenstand der Kunst anzustreben, beispielsweise hinsichtlich ihrer Materialitäten und Ästhetiken, ihres dialektischen Potentials oder des ihnen zugeschriebenen Autonomieverständnisses.

Wie ist Ihr Ausstellungskonzept in den Gesamtkomplex Kunst und Wissenschaft einzuordnen?
Es handelt sich um eine interdisziplinäres Ausstellungsprojekt mit hohen vermittelnden Anteilen, das wissenschaftsbezogen mit Mitteln der Kunst operiert und technologiebezogene Kunst zeigt.

Die Ausstellung wird von der Stiftung Kunstfonds im Rahmen des Sonderförderprogramms Neustart Kultur und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen im Rahmen des Programms Digitalkultur: Erforschen. Erproben. Erfahren, mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes, gefördert und von den Universitätssammlungen der Technischen Universität Dresden sowie dem Schaufler Lab@TU Dresden unterstützt. Die Werkbeschreibungen entstanden partiell unter Mithilfe der Künstler*innen (Moving Target Collective, Fabian Hampel, Simone C. Niquille).

Beitragsbild über dem Text: Fabian Hampel: This Ghost Does Exist (2020). Foto: Fabian Hampel.


[1] https://futuress.org/magazine/once-an-assistant-always-an-assistant/

Zitierweise

Michael Klipphahn-Karge (2022): (Y)OUR DATA IS A BATTLEGROUND. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d16047

Be First to Comment

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert