Ein Gespräch mit Peter Tepe | Bereich: Interviews
Übersicht: Der Künstler Detlev van Ravenswaay definiert die Begriffe Space Art und Astronomical Art. Sein Motto: Kreative, künstlerische Ideen zu komplizierten wissenschaftlichen Zusammenhängen fördern die Motivation zur Erforschung des Universums. Er zeigt an zwei Fällen der Kulturgeschichte den Einfluss von Himmelserscheinungen, als Folge die Himmelsscheibe von Nebra und Turners Impressionismus. Die zweite Hälfte zeichnet den beruflichen Lebensweg des Künstlers nach: als Kind des Raumfahrtzeitalters, als akribischer Dokumentarist in der Jugend, als kreativer Visionär im Beruf und als sympathischer Zeitgenosse, geschätzt auf der Erde und im Weltraum.
Detlev van Ravenswaay, Ihre künstlerische Entwicklung lässt sich in zwei große Phasen einteilen: die Phase der Space Art (von 1979 bis heute) und die der freien Kunst (die im Jahr 2012 begonnen hat). Im heutigen Gespräch befassen wir uns ausschließlich mit der ersten Phase.
Vielen Dank, dass Sie mir die Möglichkeit eröffnen, im Kommunikationsmedium Internet, das seine Erfindung der Raumfahrt verdankt, zum Thema Space Art zu sprechen.
Nicht alle w/k-Besucher werden mit der Space Art vertraut sein. Daher bitte ich Sie, zunächst zu erläutern, was darunter zu verstehen ist.
Unter Space Art oder Astronomical Art (den letzteren Begriff ziehe ich vor), versteht man die bildnerische Darstellung von Aspekten des Kosmos bzw. des Weltalls. Die Astronomical Art erlaubt selbstverständlich auch die Darstellung von Utopien, allerdings immer auf Grundlage des Forschungsstandes der Physik. „Beam me up, Scotty“ bleibt Science Fiction.
Es geht also um Wissenschaft und Kulturgeschichte, um Technologie und um den Menschen, der seit jeher den Drang verspürte, die Erde zu verlassen und das Weltall zu erforschen.
Seit 1979 produziert Detlev van Ravenswaay Astronomical Art.
Ein Vertreter der Space Art/Astronomical Art ist somit nach der im Online-Journal verwendeten Terminologie ein wissenschaftsbezogen arbeitender Künstler: Er greift in seiner künstlerischen Arbeit auf Theorien, Methoden oder Forschungsergebnisse bestimmter Wissenschaften zurück. Welche Wissenschaften sind hier im Spiel?
Astronomical Art orientiert sich an den Forschungsergebnissen der Astronomie und der Physik sowie am jeweiligen Entwicklungsstand der Raumfahrttechnologie. Das wissenschaftlich-technische Wissen zum Zeitpunkt der Entstehung eines Space Art-Bildes zeigt sich dann in der Regel auch in der bildnerischen Darstellung.
Aus der Chemie und Medizin taucht die Frage auf, wie das Leben auf unseren Planeten kam oder welche chemischen Voraussetzungen für die Entstehung von Leben gegeben sein müssen. Auch damit kann sich die Astronomical Art befassen.
Wirkt diese Weltraumkunst auf die den Weltraum erforschenden Wissenschaftler zurück?
Manchmal ist das der Fall: Space Art kann die Motivation der Astronauten, Weltraumforscher und -techniker fördern – das kann ich aus eigener Beobachtung bestätigen. Sie wirkt manchmal über Generationen nach, wie z.B. die Kunst Chesley Bonestells, der für das TIME-Magazine malte und dessen Illustrationen von zahlreichen Wissenschaftlern, Ingenieuren und Wissenschaftsredakteuren über sieben Jahrzehnte bewundert und zitiert wurden. Selbst heute noch gelten seine Visualisierungen der Ideen Wernher von Brauns als beispielhafte Zusammenarbeit zweier Visionäre.
Dass ein Weltraumkünstler gelungene Visualisierungen der Ideen von Weltraumforschern und -technikern hervorbringen kann, lässt sich gut nachvollziehen. Kommt es darüber hinaus in einigen Fällen auch dazu, dass ein Space Artist Weltraumforscher zu kreativen wissenschaftlichen Ideen anregt und so dazu beiträgt, dass die jeweilige Wissenschaft sich neu ausrichtet?
Vor 20 Jahren entdeckte der Astronom Michel Major den ersten Exoplaneten, einen Planeten, der einen anderen Stern unserer Galaxie umkreist. Aber schon Jahrzehnte früher hatten Astronomical Artists Szenen solcher Planetensysteme gemalt. Dabei zeigten sie auch Exoplaneten, die vor der „Sternenscheibe“ vorbeizogen. Weltraumforscher konnten durch bestimmte Bilder der Astronomical Art also dazu angeregt werden, Theorien über Exoplaneten zu entwickeln.
Auch Portraits wissenschaftlicher Größen zählen zum Œuvre van Ravenswaays.
Mir kommt aufgrund Ihrer Ausführungen zur Weltraumkunst eine historische Frage in den Sinn: Wenn Space Art/Astronomical Art als bildnerische Darstellung von Aspekten des Weltalls definiert wird, müsste man dann nicht auch sagen, dass ein Frühmensch, der Sterne oder eine Mondsichel in eine Felswand ritzt oder in den Sand malt, Space Art hervorbringt?
In der Tat meine ich, dass die Anfänge der Space Art in frühen Stadien der Menschheitsentwicklung zu suchen sind. Eine außerhalb der Vulkanologie und Archäologie wenig beachtete Katastrophe ereignete sich vor 3600 Jahren auf unserem Planeten, die Explosion der Insel Santorin.
Ich sehe darin ein Ereignis, das für Monate den Himmel global veränderte. Meine Recherchen und astronomischen Erfahrungen führten zu der Diagnose, dass es nun Nächte gab, in denen nur wenige Sterne trotz wolkenlosen Himmels zu sehen waren, es gab einen goldgelben bis orangefarbenen Mond, schwere Regenfälle mit bunten, leuchtenden Regenbogen, extremes Morgen- und Abendrot. Der Himmel schien zu brennen und zu bluten. Die polytheistisch denkenden Menschen haben diese Phänomene wohl auf eine Verärgerung der Götter zurückgeführt. Daraus formuliere ich meine Theorie: Für einen naturbezogen lebenden Kreativen war das Anlass genug, eine Scheibe zu kreieren, die während der Götteranbetung, um Milde bittend, gen den Himmel gehalten wurde – die Himmelsscheibe von Nebra, die ich als exzellentes Beispiel für Astronomical Art betrachte.
Wie werden die angesprochenen Phänomene von den modernen Naturwissenschaften erklärt?
Der Vulkanausbruch von Krakatau im Jahr 1883 brachte einen Quadratkilometer Vulkanasche in die Atmosphäre, Santorin die zehnfache Menge vor 3600 Jahren. Das ist bekannt. Meteorologen bestätigen die atmosphärischen Auswirkungen des Vulkanstaubs. Astronomen unterbrechen ihre Beobachtungen nach Vulkanausbrüchen – und der reiselustige Mensch muss auf seinen Flug verzichten, weil Triebwerkversagen droht. Auch heute noch sind die roten Sonnenuntergänge nach Vulkanausbrüchen beliebt. Wenn man als Astronomical Artist all diese Fakten addiert, dann ist für mich die Erstellung der Himmelsscheibe von Nebra nur eine logische Folge.
Gibt es auch Kunstwerke der letzten Jahrhunderte, die Sie der Astronomical Art zuordnen?
Ich begnüge mich mit einem Beispiel. Im Jahr 1883 färbten sich in Asien die Sonnenaufgänge und -untergänge durch den Vulkanstaub des explodierten Vulkans Krakatau blutrot. Der britische Maler William Turner übernahm in seine impressionistische Malerei diese Rotfärbungen des Himmels. In diesen Werken kann Turner als Space Art-Künstler bezeichnet werden, da er eine atmosphärische Erscheinung des Planeten Erde dokumentierte.
Können Sie an einem Beispiel genauer darlegen, wie sich die Ergebnisse der Weltraumforschung auf die Space Art auswirken?
Vor der Landung der beiden VIKING-Raumsonden auf der Marsoberfläche im Jahr 1976 stellten Weltraumkünstler den Himmel des Mars in verschiedenen Blautönen dar, nach dieser Marslandung aber nur noch in zarten Ockervarianten. Der Staubanteil in der dünnen Atmosphäre des Mars war für die Forscher höher als erwartet, die atmosphärischen Gase waren wesentlich reduzierter. Die Space Art-Künstler übernahmen unverzüglich die erkannten realen Gegebenheiten in ihre Darstellungen der Marsoberfläche. Nach 1976 tauchte in der Weltraumkunst bei zeitgenössischen Marsdarstellungen nie wieder ein blauer Himmel bei hohem Sonnenstand auf. Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie die moderne Astronomical Art vorgeht.
Die Erkundung anderer Planeten ist ein beliebtes Motiv in der Astronomical Art.
Heutzutage befassen sich Space Art-Künstler häufig mit neuen astronomischen Theorien und den in deren Licht erlangten Erkenntnissen sowie mit Zukunftsprojekten wie der Besiedelung von Planeten, und sie bringen Illustrationen dieser Konzepte hervor. Diese fallen natürlich nach Motivation oder Qualifikation des zumeist autonom arbeitenden Künstlers unterschiedlich aus.
Big Bang. Darstellungen des Urknalls.
Können Sie weitere Hauptvertreter der Weltraumkunst nennen und interessierte Besucher darauf hinweisen, wo sie nähere Informationen über diese Richtung finden können?
In Frankreich gilt Lucien Rudaux als der erste wissenschaftsbezogen arbeitende Weltraumkünstler, der Mars und Mond wirklichkeitsnah darstellte. Sein Buch Sur les Autres Mondes (Paris, Ed. Larousse 1937) beeindruckt noch heute die Leser. In der UdSSR arbeitete der Künstler Andrej Sokolov zusammen mit dem Kosmonauten und Space Art-Künstler Alexej Leonow an Darstellungen der Raumfahrt-Erfolge der UdSSR und an Plänen zur Erforschung des Sonnensystems. Viele von Leonows Bildern verwendete man in der Sowjetunion als Druckvorlagen für Sonderbriefmarken oder Postkarten. Er war der erste Mensch, der 1965 sein Raumschiff in der Erdumlaufbahn zu einem Ausstieg verließ.
Von England aus erobert David Hardy seit den 1960er Jahren künstlerisch das Universum, seit einem Jahrzehnt auch der Brite Dr. Marc Garlick, in der Tschechoslowakei stellt Ludek Pesek in bestechend fotorealistischer Malerei Szenen auf anderen Planeten dar, in den USA sind die Künstler Robert McCall, Ron Miller, Don Dixon und Don Davis tätig. In Japan arbeitet Shigemi Numazawa an künstlerischen Darstellungen der Raumfahrt und Astronomie.
Organisiert haben sich die Weltraumkünstler in der Vereinigung IAAA (International Association of Astronomical Artists), einem Club der Weltraumkünstler, die sich einmal pro Jahr an geologisch interessanten Plätzen zu Workshops treffen.
Publikationen findet man unter den Namen der genannten Künstler im Internet oder in Bibliotheken.
In unserem Gespräch geht es nicht nur um die Space Art im Allgemeinen, sondern speziell um Detlev van Ravenswaay als Space Artist. Beginnen sollten wir mit dem, was zuvor geschah.
Ich kam gerade zur rechten Zeit zur Welt, direkt im Weltraum-Zeitalter. 1957 startete der erste Sputnik ins All. 1961 rief ein Nachbar aus dem Fenster: „Ein Mensch fliegt im Weltraum!“
Von einem Space Artist erwarte ich, dass er schon früh von der Raumfahrt fasziniert gewesen ist. Trifft das auf Sie zu?
Im Alter von neun Jahren fiel mir eine Kinderzeitschrift mit einem Bericht über die Gemini-5-Mission in die Hände. Eine hohe Umlaufbahn gab den Blick frei auf einen stark gekrümmten Erdhorizont, ließ die Kugelform unseres Heimatplaneten erkennen. Das war für mich eine Art Urerlebnis – ich war sensibilisiert und fasziniert. Endgültig hat es mich gepackt, als Weihnachten 1968 drei Menschen in der Apollo 8 erstmals richtig ins All flogen, indem sie auf dem Weg zum Mond das Schwerefeld der Erde verließen.
Ich baute realistische Modelle aus Papier und Holz, solche Modelle, die als Plastikbausatz nicht angeboten wurden.
Es waren sowjetische Illustrationen der 1970er Jahre, von Saljut-1, von Luna 16, vom Mondauto Lunochod 1, die mich ansprachen und mir sagten: „Das kann ich auch! So etwas will ich auch machen!“ So war schon die Anfangsmotivation hoch. Schnell entwickelte ich mich zum Experten für Raumfahrtgeschichte. Mein Lehrer kommentierte meine Aktivitäten folgendermaßen: „Eines Tages fliegt unser Detlev in den Weltraum.“
Das von einem italienischen Modeschöpfer gestaltete Apollo-15-Emblem ließ in mir den Wunsch aufkommen, auch einmal ein Astronauten-Emblem zu gestalten. Schon 12 Jahre später, im Juni 1983, wurde dieser Traum wahr. Die Crew der ersten deutschen Spacelab-Mission bestellte bei mir das erste deutsche Raumfahrt-Emblem, im Jahr darauf hatte ich neben den Büros der deutschen Spacelab-Astronauten mein eigenes Büro. Das war für mich eine wunderbare Bestätigung meiner kreativen Arbeit.
Festhalten möchte ich, dass Sie als Kind und Jugendlicher primär von der Raumfahrt fasziniert waren. Später haben Sie sich dann aber auch mit denjenigen Wissenschaften beschäftigt, auf denen die Raumfahrttechnologie beruht. Welche Wissenschaften sind dies, und wie tief sind Sie in diese eingedrungen?
Ich absolvierte ein Ingenieur-Studium im Bereich Elektrotechnik und arbeitete Anfang der 1970er Jahre – in den frühen Anfängen der Computer-Technologie – als Programmierer. Das brachte mir jedoch nicht die kreative Erfüllung, die ich mir vom Berufsleben erhofft hatte. Erst das Studium zum Diplom-Designer führte zur Befriedigung meiner Bedürfnisse – und zum Erfolg. Ich fand meine Bestimmung.
Am 21. Mai 1983 entstand während des Fotografie-Studiums bei Prof. Detlef Orlopp in Krefeld meine erste Portrait-Serie, die Prof. Hermann Oberth, den Vater der deutschen Raumfahrt, in seinem Museum in Feucht verewigte. Am selben Tag sah ich die einschwebende NASA-747 mit montiertem Space Shuttle-Orbiter Enterprise bei Köln-Porz. Dieses Erlebnis wirkt bis heute nach.
Illustrationsaufträge deutscher Astronauten folgten, die mir das freie Arbeiten im deutschen Astronautenbüro ermöglichten. Hier erhielt ich Aufträge der wissenschaftlichen Projektführung der Spacelabmission D1. Über 80 Wissenschaftsteams aus der Medizin, der Biologie, den Materialwissenschaften und anderen Disziplinen flogen Experimente an Bord. Meine Aufgabe bestand darin, die Experimentbeschreibungen zusammenzufassen und eine Dokumentation zu gestalten, die dann in Buchform erschien.
Der Künstler pflegt enge Kontakte zu Wissenschaftlern und wurde von diesen auch mit dem Entwerfen von Missionsemblemen beauftragt.
Im Jahr 2005 bestellte die ESA (European Space Agency) bei mir für den Astronauten Thomas Reiter für einen Flug von 180 Tagen zur Internationalen Raumstation ISS (International Space Station) sein Missionsemblem ASTROLAB.
Für meine Space Art-Arbeiten sind relevant: die Physik, die Astronomie, die Planetologie und die Ingenieurwissenschaften, z.B. die Astronautik, die sich mit der Entwicklung von Technologien beschäftigen, um ein Leben auf anderen Planeten (aktuell auf dem Mars) zu ermöglichen. Hinzu kommen Teilbereiche der Medizin.
Als Space Art-Künstler betritt man täglich Neuland, weil neue Entdeckungen der Weltraumforschung neue Motive für die Weltraumkunst bedeuten.
Gab es Lehrer, die Sie geprägt haben?
Den prägenden Lehrer gab es nicht, wohl aber wichtige Begegnungen und Kontakte, etwa mit Apollo-Astronauten wie Neil Armstrong, Jim Irwin und Charlie Duke oder mit den Wissenschaftsastronauten Prof. Ernst Messerschmid und Reinhard Furrer oder auch mit Prof. Hermann Oberth, dem deutschen Vater der Raumfahrt.
Prof. Heinz Haber, Herausgeber der Zeitschrift Bild der Wissenschaft, weckte mein Interesse an der Welt der Wissenschaft. 30 Jahre später gestaltete ich ein dutzend Titelseiten dieser Zeitschrift.
Raumfahrthistorische Ereignisse und Erkenntnisse, die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurden, prägten mein Umwelt-Empfinden und meine Umwelt-Wahrnehmung. Die Veränderungen der Erdatmosphäre der letzten 50 Jahre, die unumkehrbaren Veränderungen unseres Planeten erschüttern mich.
Wissenschaftliche Erkenntnisse dienen als Visualisierungsgrundlage.
Die Astronomical Art bringt Bilder von Aspekten des Weltraums hervor. Das führt mich zu der Frage, welche Bedeutung das Bild im Allgemeinen nach Ihrer Einschätzung in der Wissenschaft hat.
Ich gebe ein Beispiel aus der Raumfahrt. Ende der 1950er Jahre, als die Menschen sich anschickten, in den Weltraum aufzubrechen, reagierten NASA-Wissenschaftler und leitende Ingenieure auf den Vorschlag, Fotoapparate mit an Bord der Raumschiffe zu nehmen, sehr skeptisch. Sie sagten, man solle sich doch lieber auf die wissenschaftlichen Messergebnisse im Weltraum konzentrieren. Heute kann man sich demgegenüber kein Raumfahrtunternehmen ohne faszinierende Bildausbeute vorstellen. Im Weltraum entstanden Bild-Ikonen der Menschheitsgeschichte, und dies half wiederum, Gelder für weitere Raumfahrtmissionen zu erhalten.
Das Hubble-Weltraumteleskop hat das Bild vom Universum inzwischen so stark geprägt, dass der Mann auf der Straße beim Blick durch ein kleines Teleskop die von Hubble gelieferten bunten Gaswolken, also Motive im Farbenrausch erwartet. Um an die Grenzen von Zeit und Raum zu gelangen, belichtete Hubble die Aufnahmen oft länger als einen Tag oder machte aus den zarten graugrünen optischen Wolken des Orionnebels jene rot- bis pinkfarbenen fotografischen Wasserstoffwolken, deren Licht mehr als 1350 Jahre zu uns unterwegs war.
Wenden wir uns nun Ihrer Arbeitsweise als Space Artist zu: Was machen Sie, und wie machen Sie es?
Fakten werden von Wissenschaftlern anders betrachtet als von Künstlern. Für einen Wissenschaftler sind Fakten unveränderliche Größen. Ich analysiere die Fakten danach, ob sie sich in Visualisierungen auflösen lassen: Ich sehe in ihnen Anlässe, um mein Werk zu schaffen. Aus der Vielzahl der aufgelösten Fakten bilde ich neue Zusammenhänge, Bilder oder auch Objekte, die manchmal nur ich nachvollziehen kann. Das ist die Freiheit, die man einem Künstler zugestehen muss.
Marsdarstellungen nach 1976.
Die Themen meiner Space Art werden durch aktuelle Projekte, wie zum Beispiel Marslandungen, bestimmt. Fotos der Geräte, die auf dem Mars abgesetzt werden sollen, nehme ich auf Ausstellungen auf oder ich baue Modelle, die meine Illustrationsarbeit unterstützen. Hinzu kommen Informationen aus allen mir zugänglichen wissenschaftlichen Publikationen und Dokumenten der Raumfahrtbehörden, aus denen ich dann meine Visualisierungen entwickle. Bis 2002 entstanden alle Illustrationen in Acryltechnik auf Illustrationskarton, danach stellte ich die Bildgestaltung auf Digitalproduktion um. Spezialsoftware ersetzt nun die Airbrush-Pistole bei der Gestaltung der Planetenoberflächen.
Meine Space Art-Produktionen gehen dann an Bildagenturen in aller Welt; diese sorgen für die Veröffentlichung. So erreiche ich ein Maximum von Empfängern. Darstellungen zum Beispiel meiner chinesischen Shenzhou-Raumschiffe gehen so an Wissenschaftler der Universität Oxford und Wissenschaftsredakteure in der Volksrepublik China.
Welche künstlerischen Ziele verfolgen Sie bei Ihrer Auseinandersetzung mit den genannten Wissenschaften?
Für mich sind künstlerische Ziele zunächst einmal gleichbedeutend mit Lebenszielen. Ich meine, dass das Ausleben der jeweils eigenen Begabung das höchste Lebensglück ist. Als Space Artist mache ich wissenschaftlich fundierte Kunst, die mehr ist als bloße Dokumentation der wissenschaftlich-technischen Aktivitäten und auch mehr als die Produktion schöner bunter Bilder, die zu bestimmten Forschungsaufgaben passen.
Können Sie dieses „mehr“ genauer bestimmen?
Damit sind Geschichten gemeint, die in das Bild einfließen. Es geht darum, den Betrachter mit meiner Darstellung zu fesseln und den „flüchtigen Blick“ zu einem „Sich-mit-dem-Bild-Beschäftigen“ zu wandeln.
Was kann es für einen Weltraumkünstler Aufregenderes geben als Projekte künstlerisch zu begleiten, die vielleicht erst in Jahrzehnten zur Realisation kommen – wie zum Beispiel die Landung des Menschen auf dem Mars? Wie werden wir uns dort bewegen, werden wir überhaupt eine Chance haben, dort zu überleben?
Oder wird die Menschheit überhaupt eine Überlebenschance haben? Umweltkritische Bilder produziert jeder Künstler, der sich mit seiner Umwelt befasst, irgendwann. Nicht um etwas zu ändern (das wäre naiv selbstüberschätzend gedacht), sondern um sich in der Umwelt, in unserer Welt mit unserem selbst gewählten Schicksal zu positionieren.
Umweltzerstörung als Thema der Astronomical Art.
Das ist ein nachdenkliches Ende des Interviews. Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Zitierweise
w/k-Redaktion (2016): Detlev van Ravenswaay: Space Art. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d754
Grandios. Es macht viel Freude, Detlev van Ravenswaay eigenen, unendlich scheinenden Kosmos kennenzulernen, danke!
Der Mensch strebt nach den Sternen. Auf Grund der riesigen Entfernungen wird er aber nicht viele besuchen können. –
Dank Detlev van Ravenswaay kann er es – schon jetzt !
Seine künstlerische Fantasie und wissenschaftliche Kompetenz überwindet mit seinen Werken alle Hindernisse.
Er ist einer der führenden Space-Art Künstler der Gegenwart: akribischer Dokumentarist, kreativer Visionär und sympathischer Zeitgeist – dessen Werke von Laien – wie von Raumfahrtspezialisten und Astronauten/Kosmonauten sehr geschätzt werden.