Text: Philipp Holstein | Bereich: Über w/k
Übersicht: Philipp Holsteins Artikel ist am 7. September in der Rheinischen Post erschienen. Die w/k-Redaktion bedankt sich für die freundliche Erlaubnis, den Text im Online-Journal erneut veröffentlichen zu dürfen. Der Dank richtet sich auch an Andreas Bretz, der für die Zweitveröffentlichung ein weiteres Foto zur Verfügung gestellt hat.
Viele kennen ihn als Germanistik-Professor an der Heinrich-Heine-Uni: Besonders populär waren seine inszenierten Mythos-Vorlesungen. Nun zieht es den 74-Jährigen wieder ins Atelier.
Bei dem Namen Peter Tepe denkt man gleich an den überfüllten Hörsaal 3H. Dort gab der heute 74-Jährige in den frühen 1990er-Jahren seine dialogischen Vorlesungen, wobei man für die Veranstaltungen genau genommen ein anderes Verb benutzen muss: Er gab sie nicht, sondern inszenierte und zelebrierte sie. Tepe trug dabei stets die Maske einer Kröte, es gab auch Igel und Ratten, und das Thema war „Mythisches, Allzumythisches“. Die Wissenschaftsshows wurden viel gerühmt und ein wenig belächelt, auf jeden Fall sorgte der Germanistik- und Philosophieprofessor dafür, dass an der Heine-Uni auch Leute auftauchten, die gar nicht (mehr) studierten.
Heute sitzt Tepe in seinem Atelier in Wersten, mit Blick auf die Kölner Landstraße und trinkt einen Kaffee, den er an der Tankstelle nebenan gekauft hat. Die Krötenmaske hängt gut sichtbar an prominenter Stelle. Was viele gar nicht wissen: Tepe war „ungeplant“ an die Uni gekommen, er hatte eigentlich Künstler werden wollen. Er studierte bei K. O. Götz an der Düsseldorfer Kunstakademie, und weil Tepe sich sehr für Philosophie interessierte, empfahl der Lehrer: Geh mal zwei Semester an die Uni zur Vertiefung. Dort ergaben sich neue Perspektiven, und Tepe blieb. Noch 2013, seinem letzten Jahr im Amt, betreute er 80 Magisterarbeiten.
Was Tepe jetzt macht, ist also kein Bruch, sondern: „die Fortführung meiner künstlerischen Arbeit in intensivierter Form“. Seine Stimme klingt nach einer überstandenen Krankheit heiser. Ansonsten ist das eindeutig der Mensch aus den Mythos-Vorlesungen, deren Vorbereitungsaufwand übrigens „irrwitzig“ gewesen sei. Er erklärt neue Arbeiten, spricht über seine Vorliebe für grobe Materialien aus dem Baumarkt. Er zeigt Werke, in denen er Rohspanplatten mit Malerfilz und Abdeckpappe kombiniert. Und er sagt, dass es ihm darum gehe, schnell zu sein. Nur maximal zwei Arbeitstage dürfe eine Arbeit in Anspruch nehmen, „sonst erstarrt man in Routine“. Eine Anregung von K. O. Götz, die er noch immer beherzigt.
Die Kunst von Peter Tepe muss man buchstäblich freilegen. Er arbeitet oft in Schichten, legt Packpapier oder schwarze Lackfolie auf ältere Entwürfe, schneidet die Abdeckung auf und schaut, was dann passiert. Das Material kommt dem Betrachter geradezu entgegen, man will die Bilder berühren, fühlen. Sie regen einen im besten Sinne auf. Das Rohe, das vielen seiner Werke zu eigen ist, sieht er als Gegenentwurf zur wissenschaftlichen Arbeit: Das Ungenaue, Unsaubere gehört zum Konzept dieser kraftvollen Objekte.
Im Hauptraum des Ateliers steht ein Plattenspieler, aus einem Stoß LPs ragt eine Live-Aufnahme von Ornette Coleman heraus: „Town Hall ’62“. Zu Jazz könne er gut arbeiten, sagt Tepe, er höre aber auch Rock und Pop. Die meisten Platten habe er in den 1970er- und 80er-Jahren bei Radio Sülz gekauft.
Neben der Kunst – oder besser gesagt: Aus der Kunst heraus unterhält Tepe das Onlinejournal w/k – Zwischen Wissenschaft und Kunst. Dort veröffentlicht er mit internationalen Forscherkollegen deutsche und englische Texte über Künstler und Wissenschaftler an der Schnittstelle zwischen den Disziplinen.
Es geht um Kunst mit wissenschaftlichen Bezügen, um Mathematik und Kunst und künstlerische Forschung. Space Art kann ebenso Gegenstand der Aufsätze sein wie Technik oder Astronomie. Gemein ist ihnen die Obergrenze von 2500 Wörtern. Und gelegentlich entstehen daraus Ausstellungen im Haus der Universität. Neuerdings gibt es auch eine Vortragsreihe, den Auftakt machte die in Boston lebende Künstlerin Diemut Strebe. Eine Video-Aufzeichnung ihres Vortrags „Opposition und Schwesterfelder sind vereint – Kunstprojekte an der Schnittstelle zur Wissenschaft“ findet man auf der Website des Journals.
Die Sorge, er könne sich im Ruhestand langweilen, ist unbegründet, Peter Tepe hat genug zu tun. Und den Gestus des Hochschullehrers bekommt er auch nicht mehr abgelegt, was für diejenigen, die ihn im Hörsaal erlebten, ziemlich sympathisch ist. Zum Abschied gibt er dem Besucher den gehefteten Papierausdruck seines neuen 27 Seiten langen Aufsatzes „Zwischen Wissenschaft und Kunst als Lebensform“ mit, eine Art Selbstanalyse und -interpretation zum im Oktober anstehenden 75. Geburtstag. Vielen Dank, sagt man lächelnd, aber warum gleich in dreifacher Ausführung? Die Antwort: „Falls Sie noch andere kennen, die das interessiert.“
Beitragsbild über dem Text: Peter Tepe in seinem Atelier (2023). Foto: Andreas Bretz.
Gib den ersten Kommentar ab