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Lorenz Olivier Schmid – Fotografie als botanische Forschung

Text: Irene Daum | Bereich:  Beiträge über Künstler

Übersicht: Der Schweizer Künstler Lorenz Olivier Schmid setzt sich in seinen Arbeiten mit Veränderungsprozessen in der Natur auseinander. Er fotografiert millimeterdünn gepresste Pflanzen und Beeren unter dem Mikroskop sowie die staubigen, mit dem bloßen Auge kaum sichtbaren Abdrucke von Pflanzenpräparaten auf Glas. So entstehen hochpräzise, abstrakt anmutende Aufnahmen, die den Prozess der Vergänglichkeit festhalten.

Der Schweizer Fotograf Lorenz Olivier Schmid sieht sich als Künstler-Botaniker. Er arbeitet als wissenschaftsbezogener Künstler, der sich intensiv mit botanischen Sammlungen und Fragen von Struktur und Zuordnung beschäftigt. Er bedient sich naturwissenschaftlicher Methoden wie dem Einsatz eines Mikroskops, um die Bilder zu generieren, die Gegenstand seiner Fotografien sind.  Er sieht seine Arbeit als experimentelle Forschung mit den Mitteln der Fotografie, als eine innovative Verbindung von Biologie und hochpräziser, detailorientierter Fotografie.

Lorenz Olivier Schmid lebt und arbeitet in Aarau, Schweiz. Seit Abschluss seines Kunst-Studiums an der Hochschule Luzern war an zahlreichen Ausstellungen in der Schweiz (u.a. in der Kunsthalle Luzern und im Kunsthaus Zofingen) sowie im Ausland beteiligt. Seine Fotografien sind in renommierten Sammlungen (u.a. bei Hoffmann-La Roche oder Credit Suisse) vertreten.

Der Künstler setzt sich in seiner Arbeit mit Veränderungen organischer Formen und Strukturen durch die Zeit auseinander und den Möglichkeiten der Fotografie, flüchtige Momente im Verlauf der Transformation festzuhalten. Er sammelt Proben von Pflanzen, Gräsern oder Früchten in Gärten oder auf Halden, presst sie millimeterdünn zwischen Glasscheiben und dokumentiert fotografisch den weiteren Prozess im Lichtkegel eines Mikroskops.  Wie bei der präzisen naturwissenschaftlichen Untersuchung von Pflanzenpräparaten werden dabei auch das Austreten des Saftes der gepressten Objekte, Schimmelbildung, Staub und Schmutzrückstände erfasst.

Beim Spiel mit dem Licht experimentiert Lorenz Olivier Schmid mit unterschiedlichen fotografischen Techniken und versucht, Formen an der Grenze der Sichtbarkeit offen zu legen. Beispiele dafür sind Fotografien im Auflicht, dem künstlichen Licht, das bei der Mikroskopie oder der Fotografie auf das untersuchte Objekt fällt, um Konturen besser sichtbar zu machen. Darüber hinaus nutzt er für seine Aufnahmen Streiflicht,  d.h. Licht, das von der Glaskante eines Objektträgers einfällt und die zwischen Glasscheiben gepressten Präparate aufleuchten lässt.

Lorenz Olivier Schmid: Maibeere im Auflicht (2021). Foto: Lorenz Olivier Schmid.

Mit Hilfe der beschriebenen Techniken entstehen Bilder, die weit über eine Abbildung des ursprünglichen Gegenstands  – des gepressten Objekts – hinausgehen und in denen nicht mehr unmittelbar zu identifizieren ist, um welches Blatt oder um welche Pflanze es sich handelt. Die abstrakt anmutenden Formen sind Momentaufnahmen und lassen eine Vielzahl von Interpretationen zu. Bei der Betrachtung steht die aktuelle Seherfahrung in Wechselwirkung mit Erinnerungen und gespeichertem Wissen über Pflanzen oder Beeren. Man nimmt organische Gebilde wie Zellstrukturen oder Organismen unter dem Mikroskop oder Sterne in fernen Galaxien wahr, je nach Anknüpfung der Bilder an die eigenen Erfahrungen und Assoziationen.

Lorenz Olivier Schmid: Eisblumierung (fleckig) im Streiflicht (2021). Foto: Lorenz Olivier Schmid.
Lorenz Olivier Schmid: Eisblumierung (fleckig) im Streiflicht (2021). Foto: Lorenz Olivier Schmid.
 Lorenz Olivier Schmid: Ricinus communis im Streiflicht (2021). Foto: Lorenz Olivier Schmid.
Lorenz Olivier Schmid: Ricinus communis im Streiflicht (2021). Foto: Lorenz Olivier Schmid.

Eine weitere Serie von Arbeiten des Schweizer Künstlers befasst sich mit Skonogrammen. Das Kunstwort lehnt sich an das griechische Wort für Staub (Skono) an. Die Aufnahmen dieser Serie zeigen Abdrücke auf Glas, staubige Überbleibsel von gepressten Trockenblumen oder Schmetterlingen, die durch Pressen des Objekts gegen das aufliegende Glas entstanden sind und Ablagerungen, Staub und Zeichen der Zersetzung mit einschließen. Mit bloßem Auge nicht sichtbar, werden die Formen im Streiflicht offengelegt. So entstehen Skonogramme, Bilder, die gleichzeitig für das Überdauernde und die Vergänglichkeit stehen.

Die Themen, mit denen sich Lorenz Olivier Schmid als Künstler und Fotograf unter Einsatz innovativer Methoden auseinandersetzt, gehen weit über eine Dokumentation biologischer Prozesse hinaus. Was bleibt von organischen Strukturen? Wie entsteht Schönheit im Alltäglichen wie Staub oder beim Zerfall und wie ordnet sie sich in den Kreislauf der Natur ein?

Die Fotografien von Lorenz Olivier Schmid sind von August bis Oktober 2021 unter dem Titel Efflorescence in der Galerie König Büro in Zürich, Birmensdorferstr. 299 (www.koenigbuero.ch) zu sehen.

Beitragsbild über dem Text: Lorenz Olivier Schmid: Frucht des Wunderbaums im Streiflicht (2021). Foto: Irene Daum.

Zitierweise

Irene Daum (2021): Lorenz Olivier Schmid – Fotografie als botanische Forschung. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d15333

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