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Kunst mit Hefe: Anna Dumitriu & Alex May

Text: Sabine B. Vogel | Bereich: Über Künstlerinnen

Übersicht: Sabine B. Vogel, die Autorin der wichtigen Abhandlung Leonardo im Labor – die in w/k in vier Teilen besprochen worden ist –, berichtet über die aktuelle Wiener BioArt-Ausstellung Fermenting Futures von Anna Dumitriu und Alex May. Erstveröffentlichung in der Tageszeitung Die Presse, Wien, am 17.3.2022.

Bier, Brot, Medikamente, Chemikalien – vom Haushalt bis zur Industrie kommt Hefe zum Einsatz. Jetzt steht der winzige, einzellige Organismus im Mittelpunkt einer hochspannenden Ausstellung im Künstlerhaus: Fermenting Futures nennen Anna Dumitriu und Alex May ihr Projekt. Dumitriu gehört zu den bekanntesten BioArt-Künstlerinnen – jener Kunstrichtung, die mit lebenden, meist synthetischen Organismen arbeitet, und ihr Atelier in wissenschaftlichen Laboren einrichtet.

Bekannt ist Dumitriu für ihr Pestkleid: Die Stickereien auf dem historischen Seidenkleid sind mit der DNA von Yersinia pestis-Bakterien imprägniert. In Wien konzentriert sie sich auf den Hefepilz. Das Duo arbeitet mit einer speziellen Hefe, die gleichzeitig Kohlenstoff binden und Milchsäure zur Herstellung von PLA-Kunststoff abgeben kann. Da diese Pichia pastoris-Hefe hier nicht gezeigt werden darf – denn genetisch modifizierte Organismen sind in Ausstellungen nicht erlaubt –, präsentieren sie Relikte der Gärungsprozesse: das magisch blubbernde Glasgefäß mit rosafarbenem Wasser, das durch Schläuche mit einem Holzsockel verbunden ist. Außen zieren es merkwürdige Formen, die auch die Wand wie in einer feindlichen Übernahme bevölkern. Es sind 3D-Scans von Schwarzhefe-Kolonien, eigentlich bekannt als krankheitserregende Bösewichte auf Möbeln und in Spülmaschinen – hier verwandelt in wunderschöne Skulpturen.

Schaut man genau hin, sieht man auf den Wandobjekten die kleinen Hefezellen. Daneben spielen hausähnliche Blöcke, die aus der Erde „herauswachsen“, wie es Alex May erklärt, auf die Co-Evolution von Mensch und Hefe an. Manche der Objekte sind aus Brot gebacken. Die fünf bestickten Textilien an der Wand wurden mit Hefen braun oder dunkel eingefärbt – denn auch dazu kann dieser Organismus genutzt werden. Ähnlich wie im Pestkleid verbindet Dumitriu auch hier Handwerkstechniken mit biologischen Motiven, um unsere Beziehungen zur Welt der kleinen Organismen anzusprechen.

Die Ausstellung erinnert an eine Alchimistenküche, in der auf wundersame Weise Umwandlungsprozesse passieren. Tatsächlich es allerdings eng mit Wissenschaft verbunden und basiert auf einer Kooperation mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien. Deren Sicht auf Hefe folgt im zweiten Teil, gestaltet von Diethard Mattanaovich und seinem Team. Mattanovich ist Professor für Mikrobielle Biotechnologien an der BOKU Wien, dort wird die Evolution der Hefe im Labor nachgebildet und mögliche Nutzungen des Organismus für kommerzielle Produkte werden entwickelt. Gewöhnlich benötigt der Einzeller für den Gärungsprozess Zucker oder Stärke, was allerdings bei großem Umfang zu viel jener für Nahrung notwendige Anbaufläche vereinnahmen würde. So experimentiert das BOKU-Team mit CO2 als Rohstoff. Ein Zukunftsszenarium der Forschung ist Hefe als Erdölersatz, bereits jetzt lässt sich damit Plastik erzeugen – was die daraus produzierten Trinkbecher auf einem der vier wissenschaftlich bestückten Tische bezeugen. Auch das Künstlerduo hat übrigens solche Hefe-Plastik eingesetzt, ein kleines Stück ziert das Glasgefäß. Noch ist der Prozess aber Zukunftsmusik, die Kosten dafür sind 30-50 Prozent höher als bei der Erdölverarbeitung.

Auf einem anderen Tisch sehen wir einen kleinen, dunklen Klumpen: Es ist ein Stück „jungsteinzeitliches Brot“, wie Mattanovich erklärt, das durch seine Form schon auf eine sehr frühe Verwendung von Hefe hinweist. Ein Tisch zeigt den Weg der Hefe von der Natur ins Labor, ein anderer Färbeprozess, etwa für Zuchtlachs. Selten finden künstlerische und wissenschaftliche Methoden derart kongenial zusammen wie in dieser Ausstellung, die ein klares Ziel verbindet: ein Bewusstsein zu schaffen für neue Lösungswege. Denn die Hefe-Biotechnologie kann salopp gesagt das Zuviel an Kohlendioxid in abbaubares Plastik verwandeln.

Beitragsbild über dem Text: Anna Dumitriu & Alex May: Fermenting Futures (2021). Foto: Anna Dumitriu & Alex May.

Zitierweise

Sabine B. Vogel (2022): Kunst mit Hefe: Anna Dumitriu & Alex May. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d16105

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