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KUNST INSPIRATION WISSENSCHAFT

Text: w/k-Redaktion | Bereich: Beiträge über Künstler

Übersicht: Die Ausstellung KUNST INSPIRATION WISSENSCHAFT Thomas Schönauer – The Engineering Artist im Düsseldorfer Haus der Universität konzentriert sich auf Schönauers Kooperationen mit Wissenschaftlern, Technikern, Firmen, bei denen es um die Gewinnung bzw. Nutzung neuer Materialien für die künstlerische Arbeit geht. Er arbeitet zum einen mit dem Henkel-Konzern und zum anderen mit  dem Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen zusammen.

Die Ausstellung KUNST INSPIRATION WISSENSCHAFT Thomas Schönauer – The Engineering Artist findet vom 19.10.2018 bis zum 31.1.2019 im Düsseldorfer Haus der Universität am Schadowplatz 14 statt.

Der Beitrag über die Ausstellung enthält die Einladungskarte, den Ausstellungskatalog (der Katalog wird hier im PDF Format zugänglich gemacht), die vom w/k-Herausgeber Peter Tepe am 19.10.2018 gehaltene Einführungsrede und Fotos von Karsten Enderlein. Am Ende wird auf Medienberichte hingewiesen; erscheint ein neuer Bericht, so wird der Link sofort hingefügt.

Einführungsrede des w/k-Herausgebers

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach der Begrüßung durch den stellvertretenden Leiter des Hauses der Universität Privatdozent Dr. Christoph auf der Horst möchte ich Ihnen zunächst die am aktuellen Projekt Beteiligten vorstellen. Die Ausstellung Kunst Inspiration Wissenschaft. Thomas Schönauer – The Engineering Artist ist die zweite Kunst und Wissenschaft-Ausstellung, die erstens vom Haus der Universität, vertreten durch Christoph auf der Horst, Jill Praus und Kai Buers, zweitens von Meral Almas Kunstakademie.gallery und drittens von dem von mir herausgegebenen Online-Journal w/k – Zwischen Wissenschaft und Kunst gemeinsam geplant und durchgeführt worden ist. Maßgeblich mitgewirkt hat natürlich auch Thomas Schönauer selbst. Zu Beginn bedanke ich mich beim gesamten Ausstellungsteam für die gute Zusammenarbeit.

 Peter Tepe hält die Einführungsrede. Foto: Karsten Enderlein.
Peter Tepe hält die Einführungsrede. Foto: Karsten Enderlein.

In der letztjährigen Ausstellung mit dem Titel Kunst und Wissenschaft: Beispiele symbiotischer Verhältnisse, an die sich einige von Ihnen erinnern werden, sind 10 Künstler und Wissenschaftler präsentiert worden, die einen engen Bezug zur Düsseldorfer Kunstakademie, zur Heinrich Heine-Universität und zur Stadt Düsseldorf haben. Im Zentrum stand der kurze Zeit vorher im Alter von 103 Jahren verstorbene Karl Otto Götz als Künstler und als Wissenschaftler. Er arbeitete, unterstützt von seiner Ehefrau Rissa, in den 1960er und 1970er Jahren als empirischer Psychologe und entwickelte, In Zusammenarbeit mit führenden Psychologen seiner Zeit wie Eysenck und Berlyne Testverfahren zur Ermittlung ästhetischer Kompetenzen.

Die diesjährige Kunst und Wissenschaft-Ausstellung hat demgegenüber einen anderen Zuschnitt: Sie konzentriert sich auf einen Künstler. Der Eingangsbereich erfüllt Erwartungen, die man normalerweise hat, wenn man eine Kunstausstellung besucht: Gezeigt werden eine für Schönauers Arbeiten der letzten Jahre charakteristische Skulptur und zwei nach einer neuartigen Methode erzeugte Bilder; der Künstler zieht die Bezeichnung „Paintings“ vor. Etwas ungewöhnlich sind vielleicht die Kurzfilme auf einem Bildschirm, die z.B. die Entstehung eines solchen Bildes zeigen.

Besondere Akzente, die den üblichen Rahmen einer Kunstausstellung sprengen, werden dann im ersten und im zweiten Stock gesetzt. Schönauer gehört nämlich zu den wenigen Künstlern, die den Kontakt zu Wissenschaftlern – mitzudenken sind stets die Wissenschaftlerinnen; das gilt auch für alle vergleichbaren Formulierungen –, Technikern, Firmen suchen und mit ihnen zu bestimmten Zwecken zusammenarbeiten. Die Ausstellung nimmt im ersten Stock Schönauers Kooperation mit dem Düsseldorfer Unternehmen Henkel in den Blick und im zweiten Stock die mit dem Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen, das von Prof. Thomas Gries geleitet wird. An mehreren Beispielen wird demonstriert, wie diese Kooperationen konkret aussehen und zu welchen künstlerischen Ergebnissen sie geführt haben.

Ehe ich Schönauers spezifische Position im Spannungsfeld zwischen Kunst und Wissenschaft genauer bestimme, gebe ich Ihnen einige Informationen zur mit der Stadt Düsseldorf eng verbundenen Person. Geboren 1953 belegte er eine Zeitlang die Fächer Germanistik, Romanistik und Philosophie an der Heinrich Heine-Universität, nahm dann aber einen Job beim Bildhauer Friedrich Werthmann an. In der Folgezeit studierte er noch einige Semester an den Kunstakademien in Winnipeg (Kanada) und Düsseldorf. Nach und nach etablierte er sich dann als bildender Künstler. „Die rein nicht-materielle Welt ist nicht meine Welt. Da ich ein haptischer Mensch bin, kann mich eine rein geistige Tätigkeit nicht auf Dauer befriedigen.“ Ich werde im Folgenden weitere Schönauer-Zitate einstreuen, um eine Vertiefung zu erreichen.

Schönauer bezeichnet sich als „Mann des Raumes“. Für einen bildenden Künstler ungewöhnlich ist seine enge Zusammenarbeit mit Architekten und Landschaftsplanern, die auch zum Gewinn mehrerer internationaler Ausschreibungen geführt hat. Zwei Beispiele sollen hier genügen: 1992 entwickelte er das Gesamtkonzept des deutschen Auftritts zur UNO-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro; 1990–1992 das Konzept und die skulpturalen Installationen für das Wassermuseum Aquarius in Mülheim an der Ruhr. Typisches Zitat in diesem Kontext: „Man muss einen Raum oder Ort und dessen Schwingungen erst einmal erfühlen, die Atmosphären erspüren, ehe man einen Plan entwickelt.“

Da Architekten bei ihren Bauvorhaben immer mit Technikern und Firmen zusammenarbeiten, lag es für Schönauer nahe, diese Konstellationen auch für seine Arbeit als bildender Künstler zu nutzen. Frank Dopheide, der Geschäftsführer der Handelsblatt Verlagsgruppe, hat ihn deshalb treffend als Engineering Artist bezeichnet.

Wie ist Schönauer nun im Spannungsfeld zwischen Kunst und Wissenschaft zu verorten? Die individuellen Wissenschaft-Kunst-Verbindungen lassen sich auf drei Grundformen zurückführen, welche dann vielfältige Variationen erlauben: Die erste Form sind diejenigen, welche als Wissenschaftler und als bildende Künstler tätig sind; wir bezeichnen sie als Grenzgänger zwischen beiden Bereichen – Karl Otto Götz ist ein prominentes Beispiel. Die zweite Form sind Künstler, die in ihrer Arbeit auf wissenschaftliche Theorien/Methoden/Ergebnisse zurückgreifen: die wissenschaftsbezogenen Künstler. Die dritte Form sind Künstler, die mit Wissenschaftlern (und dann auch mit Technikern) zusammenarbeiten: die Kooperationen zwischen mindestens einem Künstler und mindestens einem Wissenschaftler.

Die bei Schönauer vorliegenden Verbindungen werde ich nun etwas genauer beleuchten. Für eine Skulpturenserie, die hier nicht ausgestellt ist, hat er sich intensiv mit dem atomaren Aufbau der Welt beschäftigt, naturwissenschaftliche Erkenntnisse darüber rezipiert und dieses Wissensmaterial als Absprungfläche für einen freien künstlerischen Flug verwendet, der auch Elemente des Humors und der Persiflage aufweist. „Mir ging es hauptsächlich um die Frage, ob man sich dem atomaren Aufbau der Welt über die Skulptur annähern kann.“

Auch in weiteren Werkreihen erweist sich Schönauer als wissenschaftsbezogen arbeitender Künstler. Hierher gehört auch sein auf das kurze Philosophiestudium zurückgehendes Interesse an Themen wie „Mikro- und Makrokosmos“ sowie „Chaos und Ordnung“, das in den Paintings – von denen hier einige ausgestellt sind – zu erkennen ist.

Ist Schönauer auch als Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Kunst einzuordnen? Im Unterschied etwa zu Götz betreibt er nicht über einen langen Zeitraum wissenschaftliche Forschung, deren Ergebnisse dann in Fachzeitschriften bzw. in Buchform veröffentlicht werden. „Ich bin kein Wissenschaftler; das wäre eine Anmaßung.“ Allerdings bastelt er zusammen mit dem Fotografen Ralph Richter und anderen an einer kritisch ausgerichteten Theorie des linearen Denkens, die sich auch auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen wie Populismus und Digitalisierung bezieht. Schönauer unterscheidet zwischen dem linearen Denken, das an die Struktur des Besitzstand-Wahrens sowie an Hierarchien gebunden ist, und dem flächigen, vernetzten Denken, das Innovationen begünstigt. Unter dem linearen ist dabei ein dogmatisches Denken zu verstehen, das ganz auf eine Linie setzt und alles, was nicht dazu passt bzw. sich durch äußere Faktoren verändert hat, missachtet. Auf Kongressen und bei anderen Gelegenheiten hält er Vorträge zu diesem Thema und publiziert auch kleinere Texte dazu. Kurzum, Schönauer arbeitet zwar nicht in einem engeren Sinn auch als Wissenschaftler, aber bei ihm ist ein Element der eigenständigen Theoriebildung kritischer Art zu finden – ein wissenschaftsnahes Element. Also: Grenzgänger mit gewissen Einschränkungen.

Schließlich ist Schönauer ein Künstler, der mit Wissenschaftlern, Technikern und auch mit Firmen zusammenarbeitet. Diese Seite seines Schaffens steht im Mittelpunkt der heute eröffneten Ausstellung. Ich gehe zunächst auf die Kooperation mit Henkel ein. Schönauer hat zusammen mit Klebstoff-Chemikern und Material-Forschern mit der Industrieverklebung von Stahl experimentiert, was wiederum zur Nutzung von Edelstahl als Malgrund geführt hat. „Hier gibt es keinen saugenden Untergrund mehr – eine flüssige Masse kann sich ausbreiten.“ Er berichtet von einem spontanen Atelierbesuch der Aufsichtsrätin von Henkel, Frau Bagel-Trah, die von seinen Experimenten fasziniert gewesen sei und nach der Vorgehensweise fragte. „Ihre Begeisterung hat dann Türen zu den Labors des Weltmarktführers für Klebesysteme geöffnet, was für einen an solchen Forschungen interessierten bildenden Künstler natürlich ungeahnte Chancen eröffnet.“ Schönauers Paintings demonstrieren die künstlerische Anwendung von industriell benutzten Klebstoffen; sein künstlerisches Ziel, die dritte Dimension auf der Fläche zu erzeugen, wird so auf eine neuartige Weise verwirklicht. „Klebstoffe sind immer zwischen irgendetwas. Ich versuche nun, dem Klebstoff ein Eigenleben zu geben und ihn zu ästhetisieren“. Das führt zu einer spezifischen Kooperation zwischen Kunst und Industrie, einer besonderen Variante des engineering artist. Im ersten Stock werden aus der heißen Phase der Zusammenarbeit präsentiert: Atelierfotos, die ersten künstlerischen Arbeiten und einiges mehr.

Nun zur zweiten Kooperation, der mit dem Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University, das von Prof. Thomas Gries geleitet wird; zur Leitungsebene gehört auch Dr. Andreas Koch. An diesem Institut wurde der innovative Verbundwerkstoff „Textilbewehrter Beton“ entwickelt, der vor allem für dünnwandige und leichte Betonfertigteile (z.B. Fassadenelemente) und zur nachhaltigen Sanierung von bestehenden Betonbauwerken  – etwa von Brücken – eingesetzt wird. Zu den Überzeugungen der  Verantwortlichen gehört von Anfang an, dass der textilbewehrte Beton, da er besonders leicht, filigran und formbar ist, für die Realisierung künstlerischer Arbeiten geeignet sein könnte.

Wie kam es nun zur konkreten Umsetzung dieser Idee? Die Kooperation entwickelte sich daraus, dass Schönauer das Institut für Textiltechnik, auf das er aufmerksam geworden war, besuchte. Von den Möglichkeiten des Textilbetons war er beeindruckt, und eine Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen, eine weitere spezifische Kooperation zwischen Wissenschaft/Technik und Kunst, war rasch angedacht. In der Folgezeit entwickelte Schönauer das Skulpturen-Projekt CON-TEXTURES und auf dessen Grundlage auch das Preisobjekt für die Preisträger des Projekt- und  Ideenwettbewerbs „Aachen 2025“, in dem es vor allem um den digitalen Wandel als gestaltbares Phänomen, also um Möglichkeiten des Machbaren geht. Letztes Zitat: „Es ist eine luftige, segelartige, fast gewichtsfreie Assoziation in einem ganz besonderen Werkstoff.“ Die große Skulptur wird erst im nächsten Monat, im November 2018 der Öffentlichkeit präsentiert. Im zweiten Stock finden Sie ein Modell und eine Vielzahl von Dokumenten zur Zusammenarbeit zwischen dem ITA und dem Künstler.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei Thomas Schönauer alle drei Grundformen der Verbindung zwischen Wissenschaft und bildender Kunst zu finden sind. Es müsste genauer untersucht werden, bei welchen anderen Künstlern dies ebenfalls der Fall ist. Das werden nur wenige sein.

Zum Konzept beider Kunst und Wissenschaft-Ausstellungen im Haus der Universität gehört es, den Besuchern zusätzliche Informationen zu geben, um dadurch ein vertieftes Verständnis der künstlerischen Arbeiten zu ermöglichen. In der ersten gemeinsam verantworteten Ausstellung wurden dafür Schaubilder und Roll ups verwendet, in der neuen Ausstellung sind wir zu flexibler einsetzbaren Wand- und Türaufklebern übergegangen.

Ich komme noch einmal auf die im Einführungsvortrag verwendeten Zitate zurück, die bis auf eine Ausnahme aus den beiden w/k-Künstlerinterviews mit ihm stammen. Aus ihnen lassen sich seine künstlerischen Ziele, einige damit zusammenhängende Hintergrundüberzeugungen und die Stoßrichtung seiner Kritik des linearen Denkens erschließen, und das führt dazu, dass man besser verstehen kann, worum es Schönauer geht und warum er so verfährt, wie er das tut. Ein vergleichbarer Vertiefungseffekt wird durch das Anschauen eines Filmes auf dem Bildschirm erzeugt: Wenn man weiß, wie Schönauers Paintings entstehen, sieht man die fertigen Bilder mit einem etwas anderen Blick.

Wie die meisten von Ihnen auf der Einladungskarte gelesen haben werden, findet am 29. November im Haus der Universität ein die Ausstellung ergänzendes Podiumsgespräch statt, das die Journalistin Regine Müller leiten wird. Es würde mich außerordentlich freuen, viele von Ihnen an diesem Abend wiederzusehen.

Ich wünsche Ihnen einen ertragreichen Ausstellungsbesuch und erfreuliche Gespräche mit den an der Ausstellung Beteiligten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Die Schönauer-Zitate sind bis auf eines, das aus einem Zeitungsartikel stammt, den beiden in w/k veröffentlichten Künstlerinterviews entnommen. Für den Vortrag habe ich dabei Kürzungen und kleinere sprachliche Modifikationen vorgenommen, ohne diese im Einzelnen anzugeben. Dass es dabei nicht zu Sinnentstellungen gekommen ist, kann durch Vergleich mit den beiden Texten leicht überprüft werden.

Vernissagefotos von Karsten Enderlein

Weitere Fotos von Karsten Enderlein

Weitere Infos

Haus der Universität
Heinrich-Heine Universität

Beitragsbild über dem Text: Vernissage KUNST INSPIRATION WISSENSCHAFT (2018). Foto: Karsten Enderlein.

Zitierweise

w/k-Redaktion (2018): KUNST INSPIRATION WISSENSCHAFT. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d1287

2 Kommentare

  1. Thomas Schönauer Thomas Schönauer 1. November 2018

    Ja, lieber Peter, du schaffst es, ein ganzes Universum auf den Punkt zu bringen, vielen Dank dafür!!

  2. Andre Paetzel Andre Paetzel 30. Oktober 2018

    Tolle Rede. Danke für die Inspiration.

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