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Neu in der Redaktion: Anne Hemkendreis

Ein Gespräch mit Anna-Sophie Jürgens | Bereich: Interviews

Übersicht: Eine neue w/k-Redakteurin stellt sich im Gespräch mit Anna-Sophie Jürgens vor: die Kunsthistorikerin und Visuelle Kulturwissenschaftlerin Anne Hemkendreis. Ihre neue Reihe Eis als Agent der ästhetischen Wissenschaftskommunikation befasst sich mit der Vermittlung und Generierung von Umweltwissen an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft; sie trägt zu einem wachsenden ökologischen Bewusstsein in unserer Gesellschaft bei.

Willkommen Anne! Wir freuen uns, dass Du zu unserem Redaktionsteam gehörst. Könntest Du unseren Lesern etwas über Dich erzählen?
Vielen Dank, Anna-Sophie, ich freue mich, dass ich im April zum w/k-Team gestoßen bin. Ich bin leidenschaftliche Kunsthistorikerin mit einer besonderen Expertise im Bereich der Bildwissenschaften (auch Visuelle Kulturwissenschaften). Ich arbeite als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Sonderforschungsbereichs SFB 948 zu Helden – Heroisierungen – Heroismen an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Seit kurzem bin ich Mitglied der Jungen Akademie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (Junge Akademie) und Honorary Senior Lecturer am Humanities Research Centre der Australian National University (HRC).

Könntest Du unseren Lesern etwas genauer erklären, was Du als Forscherin der Visuellen Kulturwissenschaften tust?
Gerne! Kurz gesagt: die Visuellen Kulturwissenschaften sind ein spezielles Forschungsgebiet innerhalb der Kunstgeschichte und darüber hinaus. Es fragt unter anderem nach der Bedeutung von Bildern in verschiedenen Kontexten wie Kunst, Wissenschaft und Populärkultur. In meiner Forschung untersuche ich die Rolle, die Bilder in verschiedenen sozialen Kontexten und insbesondere in unserer Wahrnehmung der Natur spielen. Ich frage mich zum Beispiel: Haben Bilder die Macht, unsere Beziehung zu unserer Umwelt zu verändern? Haben sie das Potenzial, uns in eine bessere Zukunft zu führen? Und zugespitzter: Was sind die Stärken, aber auch die Gefahren von Visualisierungen in der Kommunikation des Klimawandels? Da ich mich besonders für das Verhältnis von Naturwissenschaften und Kunst interessiere, untersuche ich auch, wie Wissenschaft, wissenschaftliche Bilder und Kunst zusammenwirken können, um unser Verantwortungsgefühl für die Welt zu stärken. 

Faszinierend! Erzähl uns etwas über Dein aktuelles Forschungsprojekt! Gibt es einen bestimmten Rahmen, der Dir hilft, interdisziplinär zu arbeiten? Was sind Deine Ziele?
In der Tat trägt meine Forschung zu einer aktuellen Wende innerhalb meiner Forschungsdisziplin bei. Mein Eis-Projekt zum Weiterleben polarer Heroennarrative in der zeitgenössischen Kunst ist Teil einer Bewegung, die eine stärkere Einbindung der Wissenschaften in soziale und politische Kontexte anstrebt. Ich hoffe, dass meine Forschung mit diesem breiteren Fokus auf aktuelle soziale Dringlichkeiten hinweist und zu einem wachsenden ökologischen Bewusstsein in unserer Gesellschaft beitragen kann. Explizit geht es mir darum, die Ignoranz unserer eigenen kulturellen Prägungen zu hinterfragen.

Bevor Du zu unserem Team gestoßen bist, hast Du bereits als Autorin für w/k gearbeitet. Welche Themen haben Dich dabei besonders interessiert? 
Das stimmt! Ich habe einen Artikel über die Bedeutung von Eis in den Experimenten von Wilson Bentley veröffentlicht. Bentley war ein Amateurwissenschaftler und gilt heute als einer der ersten Atmosphärenforscher. Ich war zutiefst fasziniert von der Art und Weise, wie er Umweltwissen mit ästhetischen Mitteln vermittelte. Ich würde ihn als Pionier der frühen Wissenschaftskommunikation bezeichnen, in dem Sinne, dass er ungewöhnliche Medien und Formate nutzte, um mit einem breiteren Publikum zu interagieren. Außerdem steht ein weiterer Artikel von mir kurz vor der Veröffentlichung. Darin geht es um die Luftdarbietung THAW der australischen Company Legs on the Wall, bei der 2021 ein schwebender Eisberg hoch in der Luft als Bühne für drei Tänzerinnen diente. 

Anne Hemkendreis (2022). Foto: Vincent Leifer.
Anne Hemkendreis (2022). Foto: Vincent Leifer.

Was sind Deine Pläne als w/k-Redakteurin?
Als Redakteurin werde ich eine neue Reihe mit dem Titel Eis als Agent der ästhetischen Wissenschaftskommunikation einführen, die sich mit der Vermittlung und Generierung von Umweltwissen rund um (das Schmelzen von) Eis und insbesondere an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft beschäftigt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Künstler*innen und Wissenschaftler*innen die sinnliche Qualität von Eis nutzen, um abstraktes Wissen auf neue und umfassendere Weise erfahrbar zu machen. Kurz gesagt, ich interessiere mich für die Erforschung, Wahrnehmung und Vermittlung von Natur(wissenschaften) in visuellen kulturellen Kontexten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Erforschung der Kryosphäre (Kryosphäre meint alle Formen von Eis und Schnee im Klimasystem der Erde). 

Kannst Du das etwas näher erläutern, vielleicht mit einem weiteren Beispiel?
Sicher! Ich freue mich sehr, Anna-Sophie, dass Du und ich bereits in diesem Forschungsgebiet aktiv sind. Nun, in der Reihe Eis geht es um verschiedene Formen von Wissenschaftsbildern und visueller Kunst, aber auch um wissenschaftsorientierte Performancekunst, denn hier erscheint Eis buchstäblich als lebendige Bühne für die Generierung von Umweltwissen und dessen Vermittlung. Einen ersten Einblick in dieses Forschungsfeld, das von einigen Wissenschaftler*innen als „Ice Humanities“ bezeichnet wird, geben die Veranstaltungsseiten der dreiteiligen Symposiumsreihe Ice (St)Ages: Experiencing Environments in Science, Arts and Spectacle, die wir 2021 gemeinsam organisierten (Ice(St)Ages Event). In Kürze werden unsere Leser die Gelegenheit haben, mehr darüber in unserem Sammelband im Verlag Palgrave Macmillan zu erfahren. 

Hast Du bereits mit Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Akademiker*innen zusammengearbeitet, die wissenschaftliche und/oder künstlerische Methoden anwenden?
Ich bin in der Tat sehr daran interessiert, mit Künstler*innen zusammenzuarbeiten, die sich für die Wissenschaften oder die Wissenschafts-/Wissensvermittlung interessieren. Im Rahmen unserer Konferenzreihe Ice(St)Ages habe ich Kontakt zu Mariele Neudecker aufgenommen, die auch Visiting Artist am Schweizer Forschungsinstitut CERN ist. Ich habe vor kurzem einen Artikel über ihre kritische Hinterfragung wissenschaftlicher Forschungsmethoden und der Präsentation von Naturwissen geschrieben, der demnächst veröffentlicht wird. Außerdem habe ich gerade eine Zusammenarbeit mit der beeindruckenden Künstlerin Lena Schmidt aus Hamburg abgeschlossen, die Strategien zur Visualisierung von Katastrophen untersucht. Diese Zusammenarbeit war Teil meiner Lehrtätigkeit an der Universität in Freiburg. Besonders gerne arbeite ich zudem mit anderen Wissenschaftler*innen aus dem Bereich der Wissenschaftskommunikation zusammen – so wie mit Dir, Anna-Sophie – und aus meinem neuen Netzwerk in der Jungen Akademie der Leopoldina. 

Inwieweit passt die neue Reihe Eis als Mittel ästhetischer Wissenschaftskommunikation in das allgemeine Profil von w/k? 
Nun, das übergeordnete Ziel von w/k ist es, die Schnittstellen, Vernetzungen und Einflüsse zwischen Wissenschaft und Kunst gründlich zu untersuchen. Alle Kunstströmungen – einschließlich Umweltkunst und Eiskunst – sind für w/k interessant, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind: wenn Künstler dieser Bewegung wissenschaftsbezogen arbeiten, wenn es Kollaborationen zwischen Wissenschaft und Kunst gibt, wenn Grenzgänger*innen zwischen Wissenschaft und Kunst beteiligt sind (siehe hierfür das Profil des Journals). Die Artikel, die in der neuen Reihe Eis als Mittel der ästhetischen Wissenschaftskommunikation veröffentlicht werden, folgen diesem Ziel und der etablierten w/k-Struktur und den Sektionsprofilen. Das heißt, die Artikel sind von Wissenschaftler*innen oder Künstler*innen, über Kunst, Künstler*innen oder Wissenschaftler*innen geschrieben oder erscheinen zum Beispiel in der Sektion Kunstbezogene Wissenschaft. Entsprechend dem Profil der Zeitschrift können sie sich auf einzelne Werke, Kooperationen, aber auch auf theoretische Aspekte (des Themas „Kunst und Wissenschaft“) konzentrieren. Ich war begeistert, als ich hörte, dass die in dieser Reihe veröffentlichten Artikel einen eisblauen Rahmen erhalten. 

Das ist sehr spannend! Könntest Du die vielfältigen Überschneidungen, die für Dich relevant sind, etwas näher erläutern?
Ja, natürlich! Die Artikel in dieser Reihe können zum Beispiel untersuchen, wie Wissenschaftler*innen mit Künstler*innen an eisbezogener Umweltkunst zusammenarbeiten, wie Künstler*innen zu unserem Verständnis der wissenschaftlich begründeten Dringlichkeit von Umweltproblemen beitragen, welche kreativen Geschichten Eiskünstler*innen erschaffen, die die Wissenschaft als Inspirationsquelle nutzen. Auch klimabezogene Phänomene, die unsere Welt beunruhigen, wie Klimamigration, Tiefenökologie, dunkler Tourismus oder Geo-Engineering (Technologien, die den Klimawandel abmildern wollen) sind spannende Themen für Beiträge, wenn sie mit dem Schmelzen des (Polar-)Eises, der bildenden Kunst und deren wissenschaftlicher Aufarbeitung verbunden sind. Ich bin sicher, dass noch mehr Zusammenhänge möglich sind als die eben genannten. Ich freue mich schon auf die Zusammenarbeit mit den zukünftigen Autoren.

Vielen Dank, Anne, für dieses wunderbare Interview und die Einführung.

Beitragsbild über dem Text: Performance von Legs on the Wall (2022). Foto: Prudence Upton.

Zitierweise

Anne Hemkendreis und Anna-Sophie Jürgens (2022): Neu in der Redaktion: Anne Hemkendreis. w/k – Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/e7641

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