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Einführungsrede von Irene Daum zur Ausstellung „Quintessenz“ am 30.04.2022

Im Mittelpunkt der von fünf Künstlerinnen gestalteten Ausstellung im Ballhaus im Nordpark in Düsseldorf stehen der Dialog von Bildhauerei und Fotografie und die Gegenüberstellung von abstrakter und gegenständlicher Darstellung. Die Bildhauerin Carola Eggeling zeigt Plastiken, Skulpturen, Wandobjekte in einer stark reduzierten abstrakten Formensprache. Ihre Arbeiten definieren Raum durch geschwungene Formen, die in Bewegung zu sein scheinen, mit häufigen Richtungswechseln von Kurven und Konturen. Die Werke zeichnen sich durch gezieltes Weglassen und durch eine Reduktion auf das Wesentliche aus. Die Schwere der Materialien tritt in Wechselwirkung mit einer spielerischen Leichtigkeit der Formen. Schlanke Kurven streben nach oben und ziehen den Blick mit sich, in anderen Arbeiten entfalten sie durch ihre Form eine für das Werk von Carola Eggeling charakteristische Dynamik innerhalb der kreisförmigen Strukturen der Objekte.

Eine Reduktion auf das Wesentliche und eine Hinwendung zur Abstraktion sind ein charakteristisches Merkmal der Fotografien von Stefanie Minzenmay. Wie in den Objekten von Carola Eggeling dominieren in ihren Bildern klare Linien und Formen. Darüber hinaus zeichnen sie sich durch formale Kompositionen und eine Ästhetisierung alltäglicher Gegenstände oder Raumdetails aus.  Die Arbeit von Stefanie Minzenmay ist geprägt durch eine Variation bestimmter Motive, die das Individuelle jeder Einzelaufnahme hervortreten lässt. In der Serie Zur gleichen Zeit präsentiert die Fotografin Bilder des Interieurs von zwei Gebäuden, die in den 1950er Jahren entstanden: das Haus der Industrie- und Handelskammer in Köln und das ehemalige Truppenkino der British Army in Oldenburg. In der Gegenüberstellung von Architekturelementen der beiden Gebäude treten die Parallelität von Farbgebung, Formensprache und Gestaltung des Interieurs hervor. Das gekonnte Spiel mit Licht und Schatten und die Konzentration auf Detailaufnahmen spiegeln auf eindrückliche Weise die Ästhetik der Zeit wider.

Den in der Ausstellung präsentierten Arbeiten von Carola Eggeling und Stefanie Minzenmay, die von einer Reduktion hin zur Abstraktion geprägt sind, stehen die gegenständlichen Motive der Werke von  Dana Stölzgen, Susanne Hartmann und Ute Behrend gegenüber.  Ihren Fotografien ist gemeinsam, dass sie sich mit den Themen Natur und Prozessen von Werden, Wandel und Verlust auseinandersetzen sowie Gedanken und Emotionen  ansprechen, die insbesondere während des Lockdowns und der corona-bedingten Einschränkungen der letzten beiden Jahre für viele Menschen von großer persönlicher Bedeutung waren.

Das fotografische Werk von Dana Stölzgen umfasst u.a. sensible Porträts von Frauen, die Ergebnis einer Auseinandersetzung mit der Wechselwirkung von Selbstbild und Fremdbild sowie von Zeigen und Verhüllen sind. In weiteren Arbeiten, die in der aktuellen Ausstellung zu sehen sind, beschäftigt sie sich mit Manifestationen von Formen der Natur, mit Aufnahmen von Pflanzen und  Kinderporträts. Ihre Themen sind Leben, Entstehung, Kraft und Verletzlichkeit, die sie unter dem Titel Kokon zusammenfasst und in wirkungsstarke Schwarz-Weiß-Bilder umsetzt. Dana Stölzgen beschreibt ihre Arbeit als Fotografin als einen Prozess von Auswahl und Verwerfen analog der Arbeit an einem Puzzle, als einen natürlichen Vorgang, in dem die Beschäftigung mit der Natur eine persönliche Erfahrung von Wandel, Zugehörigkeit und Ganzheit mit sich bringt.

Die Fotografin Susanne Hartmann setzt sich in der Serie Auf der anderen Seite in lyrisch-poetischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit Themen wie Verlust und dem Umgang mit unerwarteten schmerzlichen Ereignissen auseinander. Sie reflektiert den Umgang mit unkontrollierbaren und unvorhersagbaren Situationen, in denen die Welt aus den Fugen gerät und beschreibt damit einen Zustand, der von vielen Menschen während der Pandemie ähnlich empfunden wurde. Ihre Arbeiten sieht sie als eine künstlerische Reflexion dieser Themen. Sie schließen aber auch eine positive Note mit ein. In den durchgängig dunklen Aufnahmen sind helle Akzente mit eingearbeitet, als Symbol für Licht am Ende des Tunnels, für den Blick nach vorne.

Die Fotografien von Ute Behrend bilden eine Art Klammer zwischen den abstrakt geprägten Arbeiten von Carola Eggeling und Stefanie Minzenmay und den gegenständlichen Fotografien von Dana Stölzgen und Susanne Hartmann. Ihre Motive widmen sich dem Thema Back to Nature, dem Aufeinanderprallen und der Begegnung von Natur und vom Menschen produzierten Objekten wie Haushaltsgegenstände oder Plastikobjekte. Ute Behrend trägt Alltagsgegenstände wie z.B. eine Badematte oder einen Lampenschirm, die von der Form her Pflanzen oder Tieren ähneln, in das natürliche Habitat der realen Lebewesen und  fotografiert sie in diesem Umfeld. Die Objekte sind in der Szene visuell kaum als Fremdkörper zu identifizieren, alle Elemente scheinen zusammenzugehören und auf natürliche Weise miteinander verknüpft zu sein. Die Arbeiten von Ute Behrend versinnbildlichen das Eindringen des Menschen in die Natur und werfen universelle Fragen nach dem Wesen der Dinge, nach ihrer Funktion, nach Kontext und Zugehörigkeit auf.

Foto über dem Text: Moritz Niehues (2022). Blick in den Ausstellungsraum des Ballhauses im Nordpark.