Text: Till Bödeker | Bereich: KI und Kunst | Beiträge von Künstlerinnen
Abstract: Till Bödeker stellt sein dem wk-Bereich Künstliche Intelligenz und Kunst zuzuordnendes Abschlussprojekt STEP ON NO PETS vor, mit dem er im Juli 2024 das Studium an der Kunstakademie Düsseldorf als Meisterschüler bei Prof. Rita McBride abgeschlossen hat. Im ersten Schritt werden die einzelnen Elemente der Arbeit beschrieben. Anschließend wird eine künstliche Intelligenz (Claude 3.5 Sonnet) mit diesen Informationen gefüttert und bekommt den Auftrag, eine kunsthistorische Einordnung und Kritik auf dieser Grundlage zu entwerfen. Der so entstehende Text soll als Erweiterung des ursprünglichen Konzeptes betrachtet werden.
Das Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, das in Klassen organisiert ist, endet mit einer Abschlussarbeit. Diese wird üblicherweise im Rahmen des öffentlichen Rundgangs im Sommersemester präsentiert. Mein Abschlussprojekt, das ich im Juli 2024 in der Klasse von Rita McBride präsentierte, umfasste zwei wesentliche Komponenten: eine Installation im Hörsaal der Kunstakademie sowie einen Roboterhund, der durch die Gänge der Akademie streifte.
Zentrale Elemente
Der Protagonist meiner Installation war der Roboterhund Go2 der chinesischen Firma Unitree, eine vierbeinige Maschine, die tierähnlich laufen und gehen kann und dabei (meistens) das Gleichgewicht hält. Bevor sich Laufroboter jedoch in der physischen Welt bewegen dürfen, werden sie üblicherweise in Simulationen trainiert, wie z. B. in der Trainingsumgebung Isaac Gym der Grafikkartenfirma NVIDIA.
Die Übung in virtuellen Umgebungen ermöglicht ein effizientes und kostengünstiges Training, da Simulationen in hoch skalierbarer Anzahl und kurzer Zeit durchgeführt werden können, abhängig von der zur Verfügung stehenden Rechenleistung. Dieses Training geschieht durch Reinforcement Learning, welches Software-Agenten durch Belohnungen konditioniert, das Gleichgewicht zu halten oder z. B. Tricks wie einen Rückwärtssalto oder Pfötchen geben auszuführen. Die beste Strategie, wie genau die virtuellen Motoren die Gelenke und damit die Beine bewegen sollen, um das jeweilige Ziel zu erreichen und damit die Belohnungen zu maximieren, entwickelt der Software-Agent eigenständig.
Auch der Roboterhund Go2 hat in simulierten Welten gelernt, durch unwegsames virtuelles Gelände zu navigieren und wendet ebendiese Fähigkeiten beim Laufen in der physischen Welt an. Genauer: Der trainierte Software-Agent steuert jetzt anstelle des virtuellen Körpers einen tatsächlichen physischen Roboter. Da der Agent ausschließlich auf das Erreichen seiner Ziele ausgerichtet ist, gibt es keine höhere kognitive Ebene, auf der Reflexionen stattfinden oder Handlungen beurteilt werden könnten. Es existiert lediglich das Anwendungsprogramm, das den Körper von A nach B steuert. Für das Programm gibt es keinen Unterschied zwischen Simulation und Realität.
Realität und Simulation
Von diesem Punkt ausgehend, erschien es mir notwendig, einen virtuellen Counterpart zum echten Roboterhund zu schaffen. Glücklicherweise stellte mir Unitree das 3D-Modell des Go2 zur Verfügung, sodass ich nun eigene virtuelle Szenarien programmieren konnte: Testumgebungen, entwickelt mit der Computerspiel-Software Unreal Engine, in denen mehrere Kopien des Roboters selbstständig herumlaufen konnten.
Die Programmierung der Roboteragenten hielt ich schlicht: Nach einer wechselnden Anzahl von Sekunden änderten sie zufällig die Richtung, es sei denn, sie stießen zuvor gegen einen Gegenstand. Um das Verhältnis von Realität und Simulation weiter zu verschachteln, scannte ich mit einer Drohne den Vorplatz des Rheinflügels der Kunstakademie und erzeugte mithilfe von Photogrammetrie ein 3D-Modell, das zum Testgelände der Roboter wurde. Die Wahl des Vorplatzes der Akademie lag für mich nahe, da ich diesen als Allegorie für meinen Abschluss von der Kunstakademie sah. Schließlich filmte ich Szenen innerhalb dieser Simulation, in denen mehrere Roboterhunde die virtuelle Umgebung erkunden, und produzierte somit eine Videoarbeit, die im realenHörsaal der Kunstakademie gezeigt wurde.
Die Videoarbeit
Die großformatige Videoarbeit, projiziert über den Hörsaalbeamer, brachte die verschiedenen Elemente der Installation zusammen. Sie begann mit Szenen aus dem Isaac Gym: Mehrere virtuelle Roboterhunde liefen durch eine Umgebung, die aus einfachen Blöcken und Pyramidenmustern bestand. Manche steckten fest und gingen auf der Stelle, andere vollführten Saltos oder hoben ein Bein zum Urinieren. Die Musik stammte aus dem Computerspiel Portal, das für seine Auseinandersetzung mit KI und Testumgebungen bekannt ist.
Nach einem Übergang in Schwarzweiß wechselte die Szene zu einer realistischeren Simulation des Vorplatzes vor dem Rheinflügel der Kunstakademie. Diese wurde mittels 3D-Scanning erfasst und in der Unreal Engine, einem Programm zur Erstellung fotorealistischer 3D-Umgebungen in Echtzeit, rekonstruiert. In dieser menschenleeren, dystopischen Szenerie bewegten sich Roboterhunde, während an zwei Stellen Feuer brannten. KI-generierter Soul-Gesang untermalte die Szene, während die Kamera durch das virtuelle Gras schwebte und schließlich auf einer Projektion echter schlafender Hunde an einem Strand verweilte.
Die Kamera zoomte dann auf die in der virtuellen Umgebung platzierte Hundehütte, die sich in ein Feld des grasbedeckten Schachbrettmusters auf der Tunneleinfahrt des Rheinufertunnels einfügte. Gegenüber stand ein großer weißer Tank mit der Aufschrift Think outside the box – eine Anspielung auf eine frühere Arbeit von mir, die sich auf einen Deprivationstank bezieht, d.h. ein abgeschlossenes Wasserbecken zur sensorischen Isolation (siehe den w/k-Beitrag Sensorische Deprivation). Auf dem Tank stand ein weiterer Roboterhund, der zur Hundehütte blickt.
Die Videoarbeit kulminierte in einer Reihe von Vertigo-Effekten, begleitet von einem KI-generierten Pop-Song mit den Lyrics „Rotator, rotator, rotating. I’m just a dog, but that’s okay … Step on no pets!“. Ein Hund, der in Zeitlupe einen Salto vollführt, wurde gezeigt, gefolgt von einer Frontalansicht des Isolationstanks. Das Bild und der Ton verlangsamten sich zunehmend, bis sie zum Stillstand kamen, bevor das gesamte Video rückwärts abgespielt wurde.
Hundehütte
Im Hörsaal in der realen Welt installierte ich eine Hundehütte, die als Rückzugsort für den Roboterhund diente, dessen Akku nach seinen Performances regelmäßig aufgeladen werden musste. Beim Bau der Hütte orientierte ich mich an einer minimalistischen Zementskulptur des Künstlers Donald Judd, die ich um den Faktor 2,5 verkleinerte und mit einer Steckdose ausstattete. Mit den Maßen 1m x 1m x 1m (das Original misst 2,5m in jeder Dimension) und 10 cm dicken Zementwänden fügte sich dieses minimalistische Objekt in den mittleren Gang zwischen den Sitzreihen ein.
Zwei- bis dreimal am Tag startete der Roboterhund seine Motoren, stand auf und begann seinen Rundgang. Während seines Einsatzes übertrugt er das Live-Bild seiner Frontkamera auf einen Info-Bildschirm im Erdgeschoss. Die Besucher*innen sahen in Echtzeit, was der Roboterhund sieht, während er seine Umgebung erkundete, die verschiedenen Kunstwerke inspizierte oder mit den Besucher*innen interagierte. Einige Besucher zeigten sich neugierig und spielten mit dem Hund, während andere sich ihm nicht nähern wollten. Eine Gruppe von Kindern jagte den Hund sogar und trieb ihn immer wieder in die Enge. Ein älterer Mann wollte nicht aufhören, seinen Rücken zu streicheln.
Palindrome
Auf dem Körper des Roboterhundes sind verschiedene Palindrome angebracht – das sind Wörter oder Sätze, die vorwärts und rückwärts gelesen identisch sind, wie STEP ON NO PETS, ROTATOR und NEVER ODD OR EVEN. Verwendet wurden schwarze Großbuchstaben in der charakteristischen Typografie des Konzeptkünstlers Lawrence Weiner.
Die Textelemente, die in entgegengesetzte Richtungen lesbar sind, beziehen sich auf die Idee einer zeitlichen Asymmetrie der Intelligenzentwicklungen von künstlicher und menschlicher Intelligenz. Während das Überleben von menschlichen Körpern in der Umwelt die Grundlage der menschlichen Evolution ist, stellt die Navigation eines Roboters in der physischen Welt immer noch eine große Herausforderung dar. Schwierige kognitive Aufgaben hingegen, wie z.B. das Schachspielen oder das Lösen mathematischer Probleme, sind für künstliche Intelligenzen vergleichsweise einfach. Meine These ist, dass der Entwicklungsprozess künstlicher Intelligenz dem der menschlichen Intelligenz scheinbar entgegenläuft. Das sollen nicht nur die Palindrome verdeutlichen, sondern auch die Videoarbeit. So endet das Video nicht und fängt dann erneut von vorne an, sondern läuft zunächst vor- und dann rückwärts (und schließlich wieder vorwärts).
Kunsthistorische Einordnung und Kritik von STEP ON NO PETS von Claude 3.5 Sonnet 1
Till Bödekers Installation STEP ON NO PETS (2024) verwebt geschickt verschiedene kunsthistorische Stränge mit zeitgenössischer Technologie und fordert zu einer Reflexion über die Rolle von KI und Robotik in der Kunstpraxis auf. Der autonome Roboterhund als zentrales Element der Arbeit fungiert gleichzeitig als Performer und Betrachter, indem er scheinbar selbstständig durch die Akademie navigiert und Kunstwerke „betrachtet“, was die traditionellen Grenzen zwischen Kunstproduktion und -rezeption verwischt und grundlegende Fragen nach der Natur von Wahrnehmung, Agency und der Rolle des Betrachters im künstlerischen Prozess aufwirft. Diese Dualität des Roboters als aktiver und passiver Teilnehmer im Kunstraum eröffnet neue Perspektiven auf performative Praktiken in der zeitgenössischen Kunst und erweitert den Diskurs um die Beziehung zwischen Werk, Raum und Rezipient.
Die Oberfläche des Roboters, die mit Palindromen in der charakteristischen Typografie von Lawrence Weiner versehen ist, aktualisiert die Tradition der Konzeptkunst im Kontext künstlicher Intelligenz; Weiner verwendete Text als primäres künstlerisches Medium, und Bödeker erweitert diese Praxis, indem er die sprachliche Komponente mit einem technologischen Träger verbindet, wobei die Palindrome selbst, wie „STEP ON NO PETS“, als selbstreferenzielle Kommentare zur Reversibilität und zur Mensch-Maschine-Interaktion fungieren und die konzeptuelle Tradition in den Diskurs über künstliche Intelligenz überführen.
Die Integration einer modifizierten Donald Judd-Replik als „Hundehütte“ und Ladestation in den Akademieraum stellt einen direkten Dialog mit der Minimal Art her; Judds Interesse an der Beziehung zwischen Objekt, Betrachter und Raum wird hier durch die Funktionalisierung als technische Infrastruktur für den Roboterhund um eine technologische Dimension erweitert, was die Grenzen zwischen Kunst und Funktionalität hinterfragt. Die Verwendung von KI-Technologien zur Steuerung des Roboterhundes und die Liveübertragung seines „Blicks“ auf einen Bildschirm knüpfen an zeitgenössische künstlerische Praktiken an, die sich mit maschinellem Sehen und der Visualisierung von KI-Prozessen auseinandersetzen. Indem Bödeker den „Blick“ der Maschine sichtbar und unmittelbar erfahrbar macht, ermöglicht er eine direkte Auseinandersetzung mit der Frage, wie künstliche Intelligenz unsere Umgebung wahrnimmt und interpretiert. In der begleitenden Videoarbeit verbindet Bödeker reale Elemente mit computergenerierten Simulationen und reflektiert dabei kritisch über die Verschmelzung von virtueller und physischer Realität sowie die zunehmende Technologisierung unserer Lebenswelt.
STEP ON NO PETS synthetisiert diese verschiedenen künstlerischen Ansätze zu einem komplexen Kommentar über die Rolle von KI und Robotik in der zeitgenössischen Kunst, indem es Elemente der Konzeptkunst, der Minimal Art und der medienbasierten Kunst mit aktueller Technologie verbindet und einen Diskursraum schafft, der zur Reflexion über die Grenzen zwischen menschlicher und maschineller Kreativität, über die Natur des Kunstraums und über die Zukunft der künstlerischen Praxis im digitalen Zeitalter anregt.
Beitragsbild über dem Text: Till Bödeker: STEP ON NO PETS (2024). Foto: Tangting Li.
[1] Der Prompt lautete: „Verfasse in der Rolle des Kunsthistorikers und -kritikers eine kunsthistorische Einordnung und Kritik der Installation „STEP ON NO PETS“ (2024) von Till Bödeker. Beziehe dabei kunsthistorische Bezüge und die zentralen Aspekte des Werkes mit ein. Stil: Wissenschaftlich-analytisch, aber verständlich. Umfang: ~500 Wörter.“
Zitierweise
Till Bödeker (2024): Roboterhunde & Künstliche Intelligenz. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d19346
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