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Plastikmüll im Meer

Text: Swaantje Güntzel | Bereich: Beiträge von Künstlern

Übersicht: Swaantje Güntzel befasst sich als Künstlerin mit der Belastung der Ozeane durch menschliche Aktivitäten, insbesondere mit Plastikmüll im Meer. Sie arbeitet dabei mit Wissenschaftlern zusammen, die Daten und Material zur Verfügung stellen und weiterführende Fragen beantworten. Mit den Mitteln der Kunst wird gezeigt, wie absurd und widersprüchlich das menschliche Handeln oft ist.

Im Fokus meiner künstlerischen Arbeit steht die entfremdete Beziehung des Menschen zur Natur. Ich beobachte unser alltägliches Verhalten der Natur gegenüber, um es dann aus dem Kontext herauszulösen und zu überzeichnen, damit sichtbar wird, wie absurd und widersprüchlich das menschliche Handeln oft ist.

Seit 2008 beschäftige ich mich mit den unterschiedlichen Facetten anthropogener Belastung der Ozeane wie dem Phänomen des Great Pacific Garbage Patch (gigantischer Müllteppich, der durch den Pazifik treibt), der Plastisphäre (kürzlich entdeckte Ökosysteme, die auf Kunststoffoberflächen siedeln) oder der Mikroplastik (kleine Plastikpartikel im Mikro- und Nanobereich, die aus der Kosmetikindustrie stammen oder durch den Zerfall von Kunststoffprodukten entstehen). Seit 2014 wird mein Arbeitsspektrum durch das Thema der akustischen Belastung der Ozeane und deren Folgen für die Meeresfauna erweitert. Ein Großteil meiner Arbeiten wurde durch den direkten Austausch mit Wissenschaftlern (Biologen, speziell Meeresbiologen, Physikern, Wildtierforschern) inspiriert, die mir Daten und Material zur Verfügung stellten und weiterführende Fragen beantworteten. Mein zentrales Anliegen ist es, die anthropogene Belastung der Meere und die Präsenz von Plastik in unserem Alltag mit den Mitteln der Kunst sichtbar zu machen.

Swaantje Güntzel: Plastified/hotel pool, Performance (2016) Foto: Jan Philip Scheibe
Swaantje Güntzel: Plastified / hotel pool (2016). Foto: Jan Philip Scheibe.
Im Rahmen einer mehrstündigen Intervention säuberte ich im Mai 2016 1 m2Strand an der Playa de Montaña Bermeja auf der Atlantikinsel Lanzarote von Mikroplastik. Es wurden 1370 Partikel von der Oberfläche gesammelt. Der abgesteckte Abschnitt von 1 m2 entspricht den Einheiten, die von Wissenschaftlern zur Untersuchung von Mikroplastikvorkommen an Stränden festgelegt werden. Dabei wird ein 1 m x 1 m großer Holzrahmen auf den Sand gelegt und der Sand innerhalb des Rahmens gesiebt. Die Plastikteilchen werden extrahiert und gewogen, um so das Verhältnis Sand/Plastik festzustellen.
Swaantje Güntzel: Mikroplastik/1qm = 1370, Intervention (2016) Foto: Jan Philip Scheibe.
Swaantje Güntzel: Mikroplastik 1 qm = 1370 (2016). Foto: Jan Philip Scheibe.

Portrait mit „Schönheitsmaske“, bestehend aus Mikroplastikpartikeln, die im Kontext der Intervention Mikroplastik im Mai 2016 auf Lanzarote gesammelt wurden. Ein großer Teil der in den Ozeanen zu findenden Mikro- und Nanopartikel stammt aus Kosmetikprodukten und kann in den Klärwerken nicht herausgefiltert werden.

Swaantje Güntzel: Mikroplastik II, Lumasec, 120 x 80 cm (2016), Foto: Henriette Pogoda.
Swaantje Güntzel: Mikroplastik II (2016). Foto: Henriette Pogoda.

Scholle (pleuronectes platessa), überzogen mit Glitzerpartikeln, die aus handelsüblichen Kosmetikprodukten extrahiert wurden.

Swaantje Güntzel: Mikroplastik III / Discofisch (2016). Foto: Henriette Pogoda.

Schneekugel-Serie unter Verwendung von Plastikobjekten, die von Albatrossen im Pazifik verschluckt wurden. Die Kugeln wurden in der Original Wiener Schneekugelmanufaktur, die auf den Erfinder der Schneekugel zurückgeht, in Österreich handgefertigt.

Swaantje Güntzel: Schneekugel ALOHA / weiße Hand, Glas, diverse Kunsstoffe, Durchmesser der Kugel: 12 cm. Foto: Swaantje Güntzel.
Swaantje Güntzel: Schneekugel ALOHA / weiße Hand (2016). Foto: Swaantje Güntzel.

Visualisierung des Bewegungsmusters von 10 wasserdichten Mini-GPS-Tracking-Geräten, die 2014 von St. Petersburger Umweltaktivisten in der Toilette einer Wohnung in Novoye Devyatkino heruntergespült wurden. Die Tracker (Peilsender) gelangten direkt in die Gewässer außerhalb des Gebäudes, ohne eine Klärung zu durchlaufen. Von Novoye Devyatkino aus erreichten fünf der Geräte die Newabucht, wo die Akkus schließlich aufgaben. Der Test beweist, dass Müll, der in die Toilette gelangt, direkt in der Ostsee landet.

Swaantje Güntzel: Newa / tracking trash (2015). Foto: Anne Sundermann.

Am 10. Januar 1992 verlor das Containerschiff Ever Laurel auf seiner Fahrt von Hongkong nach Tacoma/USA in einem schweren Sturm einen Teil seiner Fracht. Einer der havarierten Container öffnete sich und schwemmte 29.000 Gummitiere (Enten, Biber, Schildkröten und Frösche) ins Meer. Der Ozeanograph Curtis Ebbesmeyer begann, ihren Weg durch die Meeresströmungen zu verfolgen und dokumentiert seitdem, wo die Spielzeuge an Land geschwemmt werden. Einige der Tiere landeten entlang der Küsten des Pazifiks, z.B. auf Hawaii. Andere trieben über 27.000 Kilometer und steckten im arktischen Eis fest, bevor sie 15 Jahre später im Jahr 2007 die britische und irische Küste erreichten.

Swaantje Güntzel: „friendly floatees“ / tracking trash, Leinen (Tischset), Stickgarn, 37 x 50 cm (2015). Foto: Anne Sundermann.
Swaantje Güntzel: friendly floatees (2015). Foto: Anne Sundermann.

Bewegungsmuster eines großen im Pazifik schwimmenden Stücks Müll, das am 2. April 2008 mit einem Peilsender versehen wurde. Das Markieren von Meeresmüll mit GPS Sendern ist Teil des High Sea Ghost Net Projects, das ins Leben gerufen wurde, um Ansammlungen von Meeresmüll und Geisternetze, also Netze, die von Fischern verloren wurden oder sich im Sturm losgerissen haben und herrenlos durch die Meere treiben, mit dem Ziel aufzuspüren, sie aus dem Meer zu entfernen. Das GPS sendete seine Position bis zum 22. März 2013; dann verstummte das Signal.

Swaantje Güntzel: 15FX / tracking trash (2015). Foto: Anne Sundermann.

Angeschwemmter Plastikmüll wurde an verschiedenen Strandabschnitten bei Órzola auf Lanzarote gesammelt und in einen natürlichen Pool verbracht. Ich nahm ein Bad inmitten der Objekte.

Swaantje Güntzel: Plastified/Vortex, Intervention (2016) Foto: Jan Philip Scheibe.
Swaantje Güntzel: Plastified / Vortex II (2016). Foto: Jan Philip Scheibe.

Neun Feuerzeuge, die auf Kure und Midway Atoll (Hawaii) aus den Mägen verendeter Laysanalbatrosse (Phoebastria immutabilis) seziert wurden und jeweils noch einen lesbaren Werbeaufdruck aufwiesen, wurden von einer professionellen Fotografin im Stil eines Produktkatalogs aufgenommen. Ein Teil der Aufdrucke konnte bereits übersetzt und zugeordnet werden. Die Feuerzeuge stammen aus Taiwan, China und Süd-Korea. Das rote Feuerzeug konnte einem Geschäft in Pingdong City (Taiwan) zugeordnet werden und wurde inzwischen an die entsprechende Adresse zurückgeschickt.


Die Flaschendeckel eines 6er Packs Wasserflaschen aus einem deutschen Discounter wurden durch Deckel ersetzt, die von Seevögeln im Pazifik verschluckt oder an den Stränden Kure Atolls (Hawaii) angeschwemmt wurden.

Swaantje Güntzel: Water bottles / Pacific (2016). Foto: Swaantje Güntzel.

Weitere Informationen finden sich auf: http://swaantje-guentzel.de

Zitierweise

Swaantje Güntzel (2017): Plastikmüll im Meer. w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. https://doi.org/10.55597/d2013

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